Mit Vernunft hat die Bombe kaum etwas zu tun, die am heutigen Vormittag ohne erkennbare Vorzeichen explodierte – die FCSP Vereinsführung beurlaubt mit sofortiger Wirkung den Trainer Michael Frontzeck. Die kurzfristig dazu angekündigte Pressekonferenz sollte die Erklärung bringen, hinterläßt mich aber mit noch mehr Fragezeichen (mit den Buchstaben WTF davor), als die Entscheidung als solche. Mit anderen Worten: ich kann sie weder nachvollziehen noch für gut befinden. Ganz im Gegenteil.
Die Verkündung auf der offiziellen Seite fällt so knapp wie mysteriös aus: http://www.fcstpauli.com/profis/news/4203 – der darauf rasch sich bildende Verdacht, daß ein nicht genanntes Fehlverhalten wie ausfällige Bemerkungen eine Rolle gespielt haben, wurde sofort von Vereinsseite zurückgewiesen. Stand heute.
Frontzeck selbst hat sich noch nicht dazu geäußert, so daß wir uns ersteinmal mit der Erklärung des Vereins für diese Maßnahme zufrieden geben müssen. Allein – das gelingt kaum. Auslöser für diesen überraschenden und tiefgreifenden Schnitt soll gewesen sein, daß Frontzeck nicht mit einem weiteren Abwarten bis zum (wie auch immer definierten – wir haben November) Winter einverstanden war, sondern sofort eine Verlängerung seines Vertrages haben wollte oder aber nach dem Auslaufen zu Saisonende nicht mehr zur Verfügung stehe.
Für mich ist das ersteinmal nichts weiter, als ein hartes Verhandeln von Seiten des nicht-mehr Trainers und keine Erpressung. Er hat seine Position klar gemacht. Und klar kam offensichtlich auch heraus, daß eine Bereitschaft, den Vertrag zu verlängern, von Seiten der Vereinsführung nicht vorlag, denn andernfalls wäre nicht diese Reaktion herausgekommen, sondern man hätte versucht, wie es bei Vertragsverhandlungen durchaus üblich ist, einen anderen Weg zu finden.
So oder so – eine Mannschaft ohne Trainer stellt den FCSP gehörig unter Druck. Wäre in Ruhe die Option offen gehalten worden, sich nach einem neuen Trainer umzusehen, wenn Frontzeck von seiner Forderung nicht Abstand nimmt, hätte dieser krasse Schnitt verhindert werden können. Warum dies nicht gemacht wurde, erschließt sich mir nicht. Oder, anders formuliert, nur dann, wenn eh keine Bereitschaft mehr bestand, mit Frontzeck weiterzuarbeiten – es sei denn, die Mannschaft würde in den letzten Wochen ungeahnterweise über sich hinauswachsen.
Diese Maßnahme hat nicht nur Frontzeck, sondern auch, und das vor allem, den Verein beschädigt. Nicht nur, daß wir jetzt händeringend nach einem neuen Trainer suchen und etwaige Verlängerungsverhandlungen (stehen überhaupt welche an?) darunter leiden – es ist auch eine deutliche Botschaft an alle anderen Angestellten des Vereins: wer Forderungen stellt, wird sofort beurlaubt und muß sich einen neuen Verein suchen. Nicht gerade ein Empfehlungsschreiben in Sachen Verhandlungskultur.
http://www.magischerfc.de/wordpress/?p=7311, http://www.kiezkicker.de/kiezkicker/2013/nun-sind-sie-total-durchgeknallt-frontzeck-entlassen/ und http://www.stpaulinu.de/germany-bundesliga/fawell-michael-frontzeck-fcsp-beurlaubt-nachfolger-nachfolgers reiben sich auch schon verwundert die Augen. Nachtrag: Auch dazu: http://blog.uebersteiger.de/2013/11/06/tschoe-michael-frontzeck/ und ebenfalls fassungslos: http://stpauli-streets.eu/2013/11/nanu-seids-denn-naerrisch/ sowie http://yorkshirestpauli.com/2013/11/06/comment-farewell-frontzeck/. Und, ganz neu dabei: http://aktionwort.wordpress.com/2013/11/07/kurzfristige-begrundungen-und-langfristige-strategie-zur-beurlaubung-von-michael-frontzeck/.
Menschlich paßte Frontzeck gut zum FCSP – ein sympathischer Typ, der Ruhe hineinbrachte und den Spielern Selbstvertrauen gab. Seine Einwechslungen konnte ich fast immer nachvollziehen – seine Entlassung nicht. Ich wünsche ihm alles Gute und vielen Dank für alles!
P.S.: Mittlerweile hat sich Frontzeck auch geäußert. Wie man es von ihm gewohnt ist: ruhig, sachlich, glaubhaft. Er habe kein Ultimatum gestellt, nur Klarheit haben wollen und nicht erst bis zur Winterpause, wie einseitig von der Vereinsführung festgelegt wurde, abwarten wollen – da die paar Spiele nach der ganzen Zeit auch keine neuen Erkenntnisse bringen könnten. Hört sich immer mehr für mich danach an, als ob der Wille, mit diesem Trainer weiterzumachen, eh nicht mehr vorhanden war und nur noch nach einer Argumentation gesucht wurde, den Abschied herbeizuführen. Ähnlich hört sich auch die Pressekonferenz für mich an, bei der ein Theater gemacht wird, als hätte Frontzeck wie ein Terrorist (geklaut vom Übersteiger) den Verein erpressen wollen. Geradezu lachhaft. Es ist und bleibt ein Trauerspiel, bei dem natürlich noch lange nicht alles bekannt ist, was hinter den Kulissen gelaufen ist. Ist ja eigentlich auch besser so. Nur dies ist kein Ruhmesblatt für unseren Verein, ganz im Gegenteil. Was mich nach wie vor und immer mehr entsetzt.