Meinungsfreiheit endet im Stadion da, wo der DFB anfängt – #FCSP am Scheideweg?

Das waren keine schönen Tage für den FC St.Pauli. Zwar stimmt die sportliche Seite, zwei Tage vor dem Ende der Saison ist rein rechnerisch immer noch der Relegationsplatz möglich und mit einem 3-0 Heimerfolg gegen Hansa Rostock wurden nicht nur drei wichtige Punkte eingefahren, vielmehr wurde auch die Kogge Richtung 3. Liga versenkt, auch wenn diese sich ebenfalls rein rechnerisch noch Chancen auf den Klassenerhalt erhoffen kann. Aber all das zählt in diesen Tagen nichts mehr, denn nach den Ereignissen der letzten Tage reibt man sich nur noch verwundert die Augen. Die – leider zu erwartenden – kleineren Auseinandersetzungen einiger weniger sicher auch aus dem FCSP Umkreis stammender Personen mit der Polizei im Gefahrengebiet sind zwar kleiner ausgefallen, als es bei den letzten Aufeinandertreffen dieser beiden Vereine passiert ist, siehe dazu auch http://kleinertod.wordpress.com/2012/04/23/rumstehterroristen-fcsp-nahezu-ohne-hansa-rostock-im-gefahrengebiet/, dennoch wird ein Medienrummel veranstaltet, als wäre der Bürgerkrieg ausgebrochen. Das Maß ist vollkommen verloren gegangen. Der DFB will sich auch hier nicht lumpen lassen und haut eine Geldstrafe für angebliche Verfehlungen heraus, die als solches nur entschieden zurückzuweisen wären – trotzdem schluckt die Vereinsführung dies nicht nur, sie wendet sich auch gegen die eigenen Fans. Wieso eigentlich?

Wenn man die Meldung auf der offiziellen Vereinsseite sich anschaut, http://www.fcstpauli.com/magazin/artikel.php?artikel=11315&type=2&menuid=57&topmenu=112, dann wird der Grund schon aus den letzten Worten deutlich – der Verein sei nun auf dem Präsentierteller und dürfe sich daher keinerlei noch so kleine Verfehlungen mehr erlauben. Worunter offensichtlich, wie aus der DFB-Strafe ersichtlich, auch Äußerungen fallen, die in keiner Weise strafbar sind. Die geniale Choreo der Süd beim Heimspiel gegen Braunschweig, siehe http://kleinertod.wordpress.com/2012/02/28/vollig-von-der-rolle-fcsp-und-die-nullnummer-daheim-gegen-braunschweig-sowie-das-dfb-versagen/, wurde hier als Aufhänger genommen, um dem FCSP eine Geldstrafe von EUR 5.000,00 aufzubrummen (in einer Gesamtstrafe aufgegangen, dazu später mehr). Es geht um das nachfolgende Bild:

Mal ganz davon abgesehen, daß im Hintergrund ein überzeichnetes Bild von FCSP-Fans dargestellt wurde, welches sicherlich auch mit Vorurteilen spielt und unter Satire zu verbuchen wäre, lautet der strafrechtliche Vorwurf auf ein solches „ACAB“ und „Bullenschweine“ der, daß es sich hier um eine Beleidigung handeln könnte. Könnte, wohlgemerkt, denn das ist keine. Die von diesen Worten angegangene Gruppe ist als Kollektiv viel zu unbestimmt und nicht ausreichend konkretisiert, als daß es sich im strafrechtlichen Sinne um eine Beleidigung handeln könnte. Siehe dazu auch http://www.ferner-alsdorf.de/2012/01/acab-strafbar-beleidigung-polizei/wettbewerbsrecht/strafrecht/rechtsanwalt/verkehrsrecht/?isalt=0. Ganz egal, was man persönlich davon halten mag – Kunstfreiheit und Meinungsfreiheit decken also eine solche Choreo ab, die zudem auch in ihrem Gesamtkontext zu sehen ist.

Dies reißt der DFB aus den Zusammenhang und wertet das ganze als „unsportliches Verhalten“. Nun frage ich mich, wie eine Fanszene sich „sportlich“ verhalten soll. Erwarten die etwa, daß wir in Trainingsanzügen kommen? Ist Support nun eine Sportart? Bei dem Einsatz, der auf den Rängen mitunter gezeigt wird, könnte man das ja fast so annehmen… Aber eine ich im Rahmen der Gesetze bewegende Handlung ist Unsportlich? Wie genau soll denn diese Unsportlichkeit definiert werden? Aber halt, ersteinmal einen Schritt zurück. Unsportlich habe sich hier der Verein verhalten, so jedenfalls die DFB-Logik und zwar durch seine Fans bzw. dadurch, daß er diese nicht unter Kontrolle hatte, denn nach § 9 der DFB Verfahrensordnung ist der Verein für seine Zuschauer verantwortlich – wer das nachlesen möchte, kann sich die umfangreichen Regeln unter http://www.dfb.de/uploads/media/07_Rechts-Verfahrensordnung_01.pdf anschauen, viel Spaß.

Mit diesem speziellen DFB-Verfahrensrecht kenne ich mich nicht aus, möchte dazu also auch keine abschließende Stellungnahme abgeben. Aber bei einem einfachen Durchlesen fällt mir zum obigen Thema das Folgende auf: nach § 1 der DFB Verfahrensordnung sind nicht nur „Ordnung und Recht“ (wobei sich die Frage stellt, warum hier Ordnung noch einzeln genannt wird, ist damit etwa eine außerhalb des Rechts stehende Ordnung gemeint?) sondern auch die „Grundsätze der Integrität, Loyalität, Solidarität und Fairness“ im Fußballsport einzuhalten. Jeglicher Verstoß hiergegen sei nunmal als unsportliches Verhalten zu bewerten. Dies wird in § 9 weiter konkretisiert. Hiernach macht sich „insbesondere“ schuldig, wer sich „politisch, extremistisch, obszön anstößig oder provokativ beleidigend verhält“. Nun stellt sich die Frage, ob der DFB ein Verhalten, welches nicht strafbar ist, als „provokativ beleidigend“ einordnen darf. Er kann es, wie man aus der verhängten Strafe ersehen kann, aber ob dieses auch zu Recht geschieht, darüber entscheidet letztendlich der DFB mit seiner Sportsgerichtbarkeit ja selber. Mit anderen Worten: das Ganze wird rein willkürlich gehandhabt.

Meinungsfreiheit? Wird durch die DFB-Willkür eingeschränkt. Was der DFB nicht hören will ist untersagt und wird bestraft. Was genau das ist, sagt der DFB nicht vorher. Er bestraft einfach. An Gesetze und Rechtsprechung außerhalb der Stadien hält sich der DFB dabei offensichtlich nicht, er bestraft nach dem, was er für richtig hält. Niemand kann sich also an das halten, was er außerhalb des Stadions machen dürfte. Jeder Fan muß sich der puren Willkür des DFB unterordnen. Meinungsfreiheit endet im Stadion da, wo der DFB das will. Und das Schlimme ist, daß der Verein hier mitspielt, anstatt sich dagegen zu wehren. Wobei es dafür eben auch aktuelle Gründe gibt.

Die „Hallenkrawalle“ wurden hier gleich mitbestraft, siehe dazu http://kleinertod.wordpress.com/2012/01/27/aufklarungsversuche-der-hallenkrawalle-wichtige-veranstaltungen-und-fcsp-in-der-winterpause/ und http://kleinertod.wordpress.com/2012/01/09/nazi-hooligan-angriff-auf-fcsp-fans-tumulte-und-eine-auf-dem-rechten-auge-blinde-polizei-hallenkrawalle/. Soweit ich weiß, laufen die Ermittlungen hier noch, trotzdem wurde schon einmal, der DFB kann das eben, eine Strafe verhängt. Und beide Strafen ergeben eben zusammengenommen (und dadurch in der Summe etwas reduziert, nennt sich Gesamtstrafenbildung, die höhere wird angehoben aber bleibt unter der Summe) eben jene Geldstrafe, die der Verein, wohl noch unter den Eindrücken der vollkommen abgehobenen Medienschelte durch die Springer-Presse, jetzt lieber einfach mal schluckt, anstatt sich auch hiergegen wieder zu wehren. Ob dadurch das neue Lieblingsbild in den Medien vom schlimmsten aller Krawallvereine Deutschlands wenn nicht gar der Welt (okay, ich bin heute etwas unsachlich…) erschüttert werden kann, darf aber getrost bezweifelt werden. Dabei gibt es auch andere Pressestimmen, die den Verein mit größerer Objektivität sehen: http://www.11freunde.de/bundesligen/151853/mein_nachbar_der_polizist stellt hier ein weiteres, positives Beispiel dar. Auf die negativen zu verweisen habe ich keinen Bock mehr.

Nachdem die Vereinsführung sich in letzter Zeit großartig verhalten hat, stößt mir die aktuelle Reaktion allerdings übel auf. Freundlicher formuliert aber im Tenor gleich kann man dies bei http://jawasdenn.net/index.php/21-united-we-stand lesen. Was nicht heißt, daß ich einfach zur Tagesordnung übergehen möchte, wenn es in unserem Umfeld problematische Gruppen gibt – nur brauchen wir hier handfeste Erkenntisse und anschließend auch ein gutes Handlungskonzept und keine Schnellschüsse, die zulasten der Grundrechte der in den Stadien befindlichen und sich im Rahmen der Gesetze bewegenden Fans gehen. Worte zum dem Thema wurden in einer theoretisch gut passenden Art hier gut gefunden: http://lichterkarussell.net/die-macht-kommt-von-unten/.