Spiele kann man verlieren, auch daheim und das auch deutlich und verdient nach schwachem Auftritt. Das können wir uns zu diesem Zeitpunkt der Saison eh leisten. Was wir uns aber niemals leisten können, das wäre das zu verlieren, was den FCSP ausmacht. All das, wofür wir hier stehen und sitzen, all das ist nicht beliebig austauschbar. Verantwortliche im Verein, die das nicht begriffen haben, hingegen schon. Um den lauen Kick bei schon sommerlichen Temperaturen ging es an diesem Tag kaum und auch hier wird das Drumherum wieder einmal wichtiger sein. Haben wir keine Baustelle, wie auf der Nord, die noch auf sich warten läßt, dann fangen wir halt woanders eine andere an…
Der Mann des Tages, um den sich irgendwie alles drehte, war überhaupt nicht auf dem Platz, ja, er saß noch nicht einmal auf der Bank. Und genau das war das Problem, geht es hier doch um niemand geringeren als den altverdienten Kapitän der Braun-Weißen, der zum Saisonende aufhört und nach langer Verletzungspause endlich wieder fit zum Einsatz bereit stand, um noch einmal auf den Platz zurückehren zu können. Für unseren Trainer Vrabec eine aus welchen Gründen auch immer unvollstellbare Situation, die aus guten Gründen wiederum für uns unvollstellbar ist. Und mit „uns“ meine ich hier nicht nur die Fanszene einschließlich dieses Blogs, sondern auch ehemalige Spieler der FCSP, von denen einer am Tag zuvor betroffen in die Öffentlichkeit ging: https://www.facebook.com/Ralph.Gunesch/posts/767036036661690. Dem Übersteiger fielen die passenden Worte dazu ein, die auch von anderen ehemaligen Spielern inhaltlich in jeder Hinsicht geteilt wurden: https://www.facebook.com/DerUebersteiger/posts/10152364939007884?stream_ref=1.
Die Reaktion der Fans am nächsten Tag beim Heimspiel gegen Aalen waren deutlich schon weit vor dem Millerntor überall zu sehen. Boll-Trikots und T-Shirts wohin das Auge sehen konnte.
Und daß dies nicht das einzige Zeichen an diesem Tag werden würde, war auch schon am Vortag zu lesen: http://www.stpaulinu.de/germany-bundesliga/bring-back-boller-abschiedsspiel-statt-abschiedspflichteinsatz-nein-danke.
Auch im Stadion gab es die Nummer 17 in unterschiedlichsten Variationen zu bewundern. In der extrem kurzen Zeit eine beachtliche Leistung, wobei hier sicherlich schon aus den bekannten Abschiedsgründen manche Vorarbeit geleistet worden war.
Andere Themen gab es dennoch an diesem Tag, da es eben nach wie vor auch andere Brände gibt, die eine Thematisierung verdienen. Wie der Akademikerball in Wien, der in Wirklichkeit eine Versammlung der äußerst rechten Gruppen darstellt und bei den Protesten dagegen im Januar des Jahres ein Deutscher Antifa-Aktivist festgenommen wurde, der seitdem in Untersuchungshaft sitzt: http://rotehilfejena.blogsport.de/2014/02/06/solikundgebung-fuer-josef-am-10-01-14/ sowie, aktueller, http://soli2401.blogsport.eu/2014/04/11/akademikerball-prozess-gegen-demonstranten-fruehestens-ende-mai/.
Aber daß bei einem so nah an der Fanseele liegendem Thema der Mann überall im Vorderung stand, der nirgends zu sehen war, war trotz all der anderen gewichtigen Themen selbstverständlich.
Es gehörte beim dem Fahnenmeer zwar schon ein genauerer Blick dazu, die #17 zu erkennen, aber angesichts der kurzen Zeit waren schon die Zeichen überaus deutlich.
Manches vergißt man nicht…
Auch wenn das Leben weiter geht.
Nicht immer süß und lecker, aber dennoch einfach weiter.
Die Vorgeschichte zu diesem Spiel rund um Boll zusammen mit der Tatsache, daß es in dieser Saison um nichts mehr ging, machte vorab die Lust auf diesen Spieltag schon dürftig genug.
Beim Mate dealer:
"Gegen wen spielt ihr heute?"
"… Egal."
"Hauptsache, ihr gewinnt!"
"… Egal."
#fcsp
— KleinerTod (@kleinertod) 27. April 2014
Oder auch anders. Meine Nachbarin drückte das Dabeisein an diesem Tag wunderbar aus: „ich genieße das schlechte Spiel“.
Bestes Wetter und sich zu diesem Spiel ohne das mögliche Highlight eines Boll-Auftritts zu schleppen, das war schon eine minimale Überwindung. Die natürlich beim Erklingen der Hells Bells wieder vergessen war.
Nur erklangen die Höllenglocken an diesem Tag nicht so richtig. Nach ein paar Schlägen streikte die Soundanlage und gab nur noch ein industrielles Krachen der digitalen Übersteuerung von sich.
Was uns natürlich nicht davon abhielt, das Millerntor wieder einmal in ein Tollhaus zu verwandeln.
Allgemein war die Laustärke an diesem Tag recht ordentlich. Insbesondere unter der Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich um einen Sonntag zu früher Uhrzeit, ein Spiel, bei dem es um nichts mehr ging und eines mit einem äußerst frühen Gegentor, ohne daß eine echte Gegenwehr zu erkennen war, handelte.
Bei der Verlesung der Aufstellung erhielt zwar jeder Spieler mit Ausnahme unseres neuen Mannes im Kasten, Philipp Heerwagen, einen neuen Nachnamen – eben jenen der Nummer 17, die nicht dabei sein durfte. BOLL! schallte es laut nach jedem Vornamen durch das Millerntor. Für eine Mischung aus Gänsehaut und sachtem Humor war schon so frühzeitig gesorgt.
Da konnte auch der erschreckend schwache Auftritt an diesem Tag von uns auf dem Rasen nichts ändern. Von den Rängen kam wieder viel. Auch nach den Gegentreffern wurde nicht aufgehört zu singen. Lediglich gegen Ende des Spieles, nach dem offensichtlichen Aufgeben unserer Mannschaft, erlahmten auch weite Teile der Ränge.
Was für ein schönes Spiel! Scheiß Wetter, aber das war dann auch egal. #fcsp
— KleinerTod (@kleinertod) 27. April 2014
Aber auch das konnte ja irgendwie verdaut werden.
Inwieweit bei dem starken Wind, der jede Fahne zu halten zu einem Kraftakt machte, die Gesänge auf dem Rasen gut zu hören waren, ist vielleicht eine Frage. Entscheidend wäre diese aber sicherlich nicht.
Wie auch der schwache Schiedsrichter den Ausgang der Partie nicht beeinflußte. Zu stark waren die Gäste und zu schwach wir. Den mitgereisten Fans aus Aalen zum Gefallen.
Viel Anlaß, an diesem Tag stolz zu sein, gab es also nicht. Aber schön, wenn es da noch individuelle Ausnahmen gibt.
Aber es gab ja auch noch den Zusammenhalt auf den Tribünen mit unserer Nummer 17. Das war schon schön anzusehen.
Viel schöner wäre es natürlich gewesen, wenn Fabian Boll auf dem Rasen aufgelaufen wäre. Da wäre selbst beim Spielstand von 0-3 noch das ganze Millerntor zum Erbeben gekommen und pure Gänsehaut und gute Laune garantiert gewesen.
Aber so etwas wollte der Trainer ja nicht. Schlimmer noch als das war dann aber seine Reaktion danach – http://www.fcstpauli.com/profis/news/5224 – wer einen fcstapuli.tv account hat, sollte sich diese Worte unbedingt zu Gemüte führen. Für alle anderen gibt es eine Mitschrift: http://blog.uebersteiger.de/2014/04/27/32-spieltag-h-vfr-aalen/. Äußerungen, die fassungslos machen. Und die man nur noch als eine selbst gestellte Trainerfrage umschreiben kann – denn ob es nach dieser Äußerung noch mit Vrabec weitergehen kann, das muß sich erst noch zeigen. Für viele ist da momentan jede weitere Zusammenarbeit undenkbar und auch für mich sehe ich kein Argument, wie dieser Mann noch zu halten wäre. Was nicht heißen muß, daß sich hier nicht noch etwas ändern könnte, wenn bei Vrabec ein Lernprozeß einsetzen und deutlich erkennbar werden würde – einem FCSP Urgestein in den Rücken zu fallen und den Fans des Vereins noch dazu, daß muß man ersteinmal in so kurzer Zeit schaffen. Weitaus mehr Energie und Zeit würde es kosten, das wieder halbwegs zu kitten. Wenn denn dies von beiden Seiten gewollt wäre. Wir werden es sehen.
Aber darüberhinaus ist es ja auch an der Zeit, sich das spielerische Zeugnis von Roland Vrabec einmal anzuschauen. Sicher, wir stehen gar nicht so schlecht in der Tabelle und haben bis fast zum Schluß mit um den Aufstieg gespielt. Aber was für eine entsetzliche Bilanz hat der Mann nur daheim am Millerntor bis dato abgeliefert? Was für Fehler im kaum vorhandenen, statischen Spielaufbau sind immer wieder zu sehen, die er einfach nicht mit dieser Mannschaft abgestellt bekommt? Auch, natürlich, für seine Aufstellungs- und allgemein Personalpolitik, wobei wir wieder beim zwischenmenschlichen und Fabian Boll wären, muß er sich Fragen gefallen lassen. Was für Antworten sich daraus ergeben, möchte ich an dieser Stelle gar nicht weiter ausführen, sondern einfach nur als solche in den Raum gestellt haben. Ein solch blutleeres 0-3 daheim trotz bester Unterstützung der Heimfans muß man auch ersteinmal verantworten und verdauen können. Ohne dabei den Frust an Dritten, die nun aber gar nichts dafür können, wie eben dem scheidenden Fabian Boll und den eigenen Fans abzulassen. Vermutlich war Vrabec einfach nicht in Form. Irgendwie unfair gegenüber den fitten Trainern da draußen…
Den verdienten Applaus haben sich die Gäste auch von den Heimtribünen abholen können. Solch eine Leistung weiß man hier zu schätzen. Und würde sie auch gerne mal wieder von der eignen Mannschaft sehen.
YNWA und andere Liebesgesänge gab es trotz dieses Auftritts für die BoysInBrown. Ein paar vereinzelte Pfiffe wurden so auch übertönt. Fehlende Unterstützung der Mannschaft sieht jedenfalls anders aus, Herr Vrabec.
Unabhängig davon, ob es für Vrabec nun zu spät ist oder nicht, die deutlichen Zeichen allüberall (die auch in der Musikauswahl an diesem Tag vor dem Spiel zu hören waren) wahrzunehmen und daraus zu lernen (Fehler begehen wir schließlich alle mal, aber auch hier gibt es welche, die ein extremeres Gewicht haben und entsprechend mehr an Wiedergutmachung einfordern als andere) – für unseren Boller zählt etwas anderes: daß ihm noch der verdiente Auftritt am Millerntor eingeräumt wird. In einem Pflichtspiel. Und nicht „nur“ in dem Abschiedsspiel – so großartig diese Geste auch ist. Aber nach all den Jahren hat sich Boll beides verdient. Und wir auch. Für immer #17.
http://www.youtube.com/watch?v=KUDeYsdts1k
Mehr zum Spiel und dem Drumherum:
http://www.magischerfc.de/wordpress/?p=7521
http://www.stpaulinu.de/st-pauli-links/ich-mir-wuensche-empathie-roland-vrabec
http://derkiesel.wordpress.com/2014/04/27/derboll/
http://moeliw.tumblr.com/post/84110131086/undank-des-bollers-lohn
http://jawasdenn.net/index.php/item/64-niederlagenrausch
http://metalust.wordpress.com/2014/04/27/der-trainer-ist-fur-den-kader-und-die-aufstellung-verantwortlich-fc-st-pauli-aalen-03/
http://usp.stpaulifans.de/copper/thumbnails.php?album=284
http://www.stefangroenveld.de/2014/alles-im-zeichen-der-17
https://www.flickr.com/photos/auxarmes/sets/72157644359208681/
http://grenzenlossp.wordpress.com/2014/04/28/drin-ball-drausen-boll/
http://www.stpaulinu.de/its-a-kind-of-magic/regionalligagedaechtniskick-gegen-aalen-mit-a-a-alle-bolls-mit-katastrophaler-leistung
http://www.breitseite-stpauli.de/13-14-32.htm
P.S.: Nachträge via twitter
Beim #fcsp berät man sich seit über einer Stunde, bevor der Presse Rede und Antwort gestanden wird. Es dürfte wohl um #Boll gehen …
— Nils Kemter (@NCKemter) 28. April 2014
Es hat ein Gespräch zwischen #Vrabec und #Boll gegeben. Gegen Aue soll er als Kapitän von Beginn an auflaufen #fcsp
— Nils Kemter (@NCKemter) 28. April 2014
Für seinen Auftritt bei der PK gestern hat sich #Vrabec auch entschuldigt. Er sei wütend über das Spiel gewesen #fcsp #Boll
— Nils Kemter (@NCKemter) 28. April 2014
Nun auch offiziell, wobei Fabian Boll die Bühne überlassen wurde: http://www.fcstpauli.com/profis/news/5232
Gut für Boll und den FCSP, daß Vrabec die Lage jetzt doch noch erkannt hat. Ob das noch gut genug ist und für den Trainer reichen wird, das werden wir sehen.
Noch ein Nachtrag: nicht nur Boll wurde vorgeschickt, auch Vrabec gibt eine eigene Stellungnahme ab. Das finde ich aus zwei Gründen lobenswert: beide haben hier etwas zu sagen und dem Kapitän wurde der Vorrang eingeräumt. Besser konnte der Verein mit der Situation insgesamt gar nicht mehr umgehen: http://www.fcstpauli.com/data/news/profis/saison_2013_14/mannschaft/april/vrabec_diskussion_aalen. Alles weitere wird sich, wie gesagt, noch zeigen müssen.
Und als letzten Nachtrag – zudem auch als Schlußwort (bis hierhin) passend – noch ein link: http://metalust.wordpress.com/2014/04/28/freundschaft-emphatie-solidaritat-der-tag-danach-beim-fc-st-pauli/.