Nazi-Hooligan-Angriff auf #FCSP Fans, Tumulte und eine auf dem rechten Auge blinde Polizei – Hallenkrawalle

In den letzten Tagen gab es so ungemein viele Schlagzeilen zum Thema FCSP, daß man vor lauter Lesen kaum mit irgendetwas nachkam. Es geht hierbei natürlich nur um die Berichterstattung und Aufarbeitung der Krawalle rund um den Schweinske Cup. Bei dieser Veranstaltung war ich persönlich nicht live vor Ort dabei und kann daher auch keinerlei neue Informationen zum Thema beitragen – sämtliche meiner Einschätzung beruhen also auf den mir zugänglichen Informationen und stellen keine neue Sicht der Dinge dar, höchstens eben meine eigene.

Wer sich über das Geschehene wirklich informieren möchte, sollte die offizielle Stellungnahme des Vereins lesen: http://www.fcstpauli.com/magazin/artikel.php?artikel=10473&type=2&menuid=57&topmenu=112. Hier stehen genau die Dinge, die die Polizei und andere bislang überwiegend oder vollständig unter den Tisch haben fallen lassen. Siehe auch http://blog.uebersteiger.de/2012/01/09/pressemitteilung-des-vereins-zum-schweinske-cup/ zum ausdrücklichen Lob für USP, was gerade in diesen Tagen deutlich gesagt werden muß.

Von den FCSP Blogs einmal abgesehen, besonders http://www.magischerfc.de/wordpress/?p=6001 möchte ich hervorheben, gab es leider bisher kaum lesenswertes zum Thema, außer eben bei http://www.publikative.org/2012/01/08/des-ratsels-losung/. Die darin enthaltenen Fragen hat auch der FCSP in seiner Erklärung aufgenommen – wie es eben sein kann, daß bei einem Angriff von Hooligans, die vorher durch Nazi-Gesänge einschließlich des U-Bahnliedes, Judenfeindliches und Homophobes aufgefallen waren, die Angegriffenen – hier FCSP Fans – zum alleinigen Reaktionssubjekt der Polizei werden konnte und von den 74 Festgenommenen (72 davon nur vorläufig) kein einziger der Angreifer aus Lübeck und co. war – siehe auch http://www.sport1.de/de/fussball/fussball_bundesliga2/newspage_504360.html. 72 davon waren FCSP Fans und darunter gab es offensichtlich etliche, die nur als Opfer von Polizeigewalt zu bezeichnen sind: http://www.mopo.de/polizei/krawalle-rund-um-den-schweinske-cup-st–pauli-fan–ein-polizei-hund-hat-mich-gebissen,7730198,11404326.html und http://www.mopo.de/nachrichten/krawalle-beim-schweinske-cup-hamburger-schueler—das-pfefferspray-brannte-hoellisch-,5067140,11407518.html sprechen da eigentlich eine deutliche Sprache, trotzdem überliest nicht nur die MoPo die eigenen Berichte und weist dem FCSP die Rolle des Krawallvereins aufgrund der Vorfälle zu.

Das Problem in der öffentlichen Wahrnehmung ist dabei, daß die Polizei über jeden Zweifel erhaben gilt und jede Person, die von dieser Seite aus Gewalt erfährt, habe sie mit Sicherheit auch verdient (weil nicht sein könne, was nicht sein darf). So sieht der Innen- und Sportsenator von Hamburg jegliche Vorwürfe in Richtung der Polizei als haltlos an und weist dem FCSP selbst die alleinige Schuld zu http://mobil.abendblatt.de/sport/fussball/st-pauli/article2151532/Senator-Neumann-Eine-Sauerei-von-Kriminellen.html?pg=0&cid= – streng nach dem Motto, daß die Polizei sonst ja nicht so hätte reagieren müssen. Wenn aber jede Kritik an der Polizei, ganz unabhängig davon, was bei dem Hallenturner geschehen sein mag, von vornherein abgetan und als Tabuthema behandelt wird, dann hat nicht nur der Sport, sondern eben auch unsere Demokratie ein gewaltiges Problem. Das Gewaltmonopol der Polizei kann nur gerechtfertigt werden, wenn man dieses in einem Einzelfall kritisch hinterfragen kann. Und hier in diesem Fall gibt es viele Gründe, dieses zu tun.

Wenn die Polizei Nazi-Gesänge und deren Gewaltübergriffe nicht als für relevant erachtet, die Notwehr gegen Gewalt aber als mit aller und unverhältnismäßiger Gewalt zu bekämpfendes Übel, dann stimmte etwas an der Lageeinschätzung gewaltig nicht. Dies muß man sagen dürfen und dies muß man sagen, ganz unabhängig von der Bewertung der Taten, die im Laufe des Abends begangen wurden. Da die Hooligans aus Lübeck ohne jede polizeiliche Erfassung offensichtlich einfach nur abtransportiert wurden trotz der geschilderten Vorfälle, da kann man nur wieder das alte und leider wohl immer noch zutreffende Klischee einer auf dem rechten Auge blinden Polizei hervorholen.

Was die Gewalt von Seiten der FCSP Anhänger anbelangt, da muß man genauso kritisch die jeweiligen Einzelfälle sich ansehen. Eine Abwehr eines Gewaltangriffs mit Gewalt stellt keine rechtswidrige und schuldhafte Straftat dar, hier handelt es sich um offensichtliche Notwehr. Trotzdem wird die Polizei eine Störung der Öffentlichen Ordnung annehmen können und gegen das Entstehen einer Schlägerei selbstverständlich einschreiten dürfen – doch das macht die sich gegen den Hoolangriff wehrenden FCSP-Fans noch nicht zu Straftätern. Bis zu diesem Zeitpunkt waren sie einfach nur Opfer.

Doch bei diesem Opferstatus blieb es offenlich nicht, jedenfalls gab es Auseinandersetzungen mit der Polizei und auch andere Dinge, die ich nicht alle aufzählen will. Vor allem kann ich nicht jeden Einzelfall beurteilen. Und hier dürfte es so viele Einzelsituationen geben, daß es lange dauern dürfte, diese alle aufzudröseln. Einen Grund, unsere Fanszene jetzt deswegen ein besonderes Gewaltproblem zu attestieren, sehe ich aber (bislang) noch nicht. Was nicht heißen soll, daß es nicht auch bei uns Idioten gibt, die keine Rückendeckung von Seiten der Fanszene erfahren dürfen und dies meines Erachtens auch nicht tun – womit ich eindeutig nicht jene Fans meine, die sich aggressiv gegen Nazis wenden. Letzteres ist seit langem Bestandteil unserer Fanszene und steht unserem Selbstverständnis nach auch nicht zur Disposition. So etwas wie die NSU darf aber auch nicht einfach in der Gesellschaft mit offenen Armen empfangen werden, gegen Nazis gilt es für alle, sich auf eine eigene Weise zur Wehr zu setzen. Und Notwehr gegen Angriffe von Nazis kann man nun wirklich nicht als Gewalt verurteilen – ohne damit in eine Diskussion abgleiten zu wollen, in welchem Fall genau welche Art von Gewalt angemessen ist. Viel wichtiger als so eine Diskussion ist mir, daß die Gesellschaft und auch unsere Fanszene ein deutliches Signal gegen rechtsextreme Gewalt aussendet. Politik gehört sehr wohl zum Fußball, nur Nazis sollten nicht dazugehören!

Vieles kann man hierzu noch schreiben, ich will es lieber mit einem ausgezeichneten Beitrag, auf den ich zum Ende verweise, belassen: http://metalust.wordpress.com/2012/01/09/kollektiv-egos/.

Danke an die Vereinsführung für diese differenzierte Betrachtungsweise, die sicherlich nicht so positiv aufgenommen wird, wie sie es verdient hätte.

Nachtrag: die Pressekonferenz der Vereinsführung kann man nun auch sehen – http://www.youtube.com/watch?v=YsalddudLKU. Und lesenswert ist bis hierhin weniges, wohl aber http://www.taz.de/Randale-beim-Hallenfussball-Turnier/!85310/, für FCSP Fans aus dem Ausland die übersetzte Erklärung des Vereins: http://yorkshirestpauli.wordpress.com/2012/01/10/st-pauli-club-statement/ – thanks, und die Pressemeldung des Ständigen Fanausschusses: http://stpauli-forum.de/viewtopic.php?t=65592.