Noch Sichereres Stadionerlebnis? – Betrachtung der Überarbeitung des #DFL Arbeitspapiers

An dem ursprünglichen Arbeitspapier „Sicheres Stadionerlebnis“ gab es berechtigte und gut begründete Kritik von vielen Seiten. Hierzu verweise ich einfach mal auf http://kleinertod.wordpress.com/2012/10/15/sicheres-stadionerlebnis-stellungnahme-der-desorganisierten-sankt-pauli-dsp-fcsp/ mitsamt der dort aufgeführten, weiterführenden links. Einer der Forderungen von Fanseite, das Papier erstmal wegzulegen und in einem gemeinsamen Dialog vollkommen von vorn anzufangen, wurde mit der nun vorgelegten Überarbeitung des Papiers schonmal eine deutliche Absage erteilt. Auch der Hinweis, daß eine solch komplexe Thematik ohne Zeitnot angegangen werden müsse, wurde von der DFL nicht akzeptiert. Im Gegenteil, der Fahrplan steht nach wie vor, am 12.12.12 sollen Beschlüsse her und um diese Frist einzuhalten, erhalten die Vereine die abgeänderte Fassung, siehe http://www.magischerfc.de/wordpress/?p=6722, zur Stellungnahme innerhalb einer einzigen Woche – bei dem umfangreichen Papier auf 35 Seiten, bei denen aufgrund der mitunter geringfügigen Änderungen, die aber erhebliche Konsequenzen haben können, eine Auseinandersetzung äußerst zeitintensiv ausfallen muß, schonmal ein weiterer Faux-Pas der DFL. Was ist sonst noch so von dem abgeänderten Papier zu halten?

Allein die zeitliche Knappheit macht es nahezu unmöglich, diese Frage wirklich zu beantworten, so daß eine erneute Ablehnung allein aus diesem Grund eigentlich zwingend sein müßte. Wem es wirklich ernst damit ist, daß in einem echten Dialog alle Seiten sich einbringen können als gleichberechtigte Gesprächspartner, der setzt diesen nicht mit so einer kurzen Frist eine solche Maßnahme vor. Das macht nur jemand, der ein einfaches Abnicken und nichts anderes erreichen möchte. Womit bereits zu Anfang auch meine persönliche Meinung lautet: das überarbeitete Papier gehört unbedingt abgelehnt. Es muß ohne Zeitnot und ganz von vorn angefangen werden, die unterschiedlichen Punkte zu analysieren – um dort, wo wirklich Bedarf ist, GEMEINSAM Lösungen zu erarbeiten. So geht das grundsätzlich schonmal schief.

Es ist schwer, auf die Schnelle zu überprüfen, ob die Änderungen nicht nur kosmetisch, sondern in der Sache auch so ausfallen, daß die Änderungen auch die geforderten und nötigen Auswirkungen entfalten. Davon einmal abgesehen möchte ich hier einige Punkte aufgreifen, die ich für bedenklich an der Änderung halte. Wobei ich ganz eindeutig klarstellen möchte, daß es sich hier nur um meine persönliche Meinung handelt und diese ohne längere Prüfung des Arbeitspapieres im Detail gebildet wurde. Sprich: ich könnte einiges falsch verstanden oder übersehen haben. Dies soll hier alles nur als ein erster Gedankengang zum Thema verstanden werden. Also los.

Besonders obskur wird es auf den Seiten 20/21 des überarbeiteten Papiers. Hier macht die DFL eindeutige Vorgaben, wie der Dialog zu führen ist und worüber sowie worüber nicht – und macht diese Form des Dialogs auch noch zur Pflicht. Die verstärkt den Eindruck, daß es der DFL gar nicht um Gesprächspartner, sondern allein um Befehlsempfänger geht. Es scheint so zu sein, als ob die DFL allein über das „Problemfeld Fan“ und nichts anderes sprechen will.

Auf Seite 12 wird eine Videoüberwachung des gesamten Stadions durch die Polizei gefordert. Passend dazu ist der folgende Text: http://www.bz-berlin.de/aktuell/berlin/polizei-darf-nicht-auf-bvg-kamerasschauen-article1582436.html – hier soll also Polizei Bürger auch ohne konkreten Verdacht einfach beobachten, was außerhalb des Fußballs nicht gestattet ist. Aber im Fußball soll das jetzt möglich werden, Bürgerrechte einfach per Dekret von oben (DFL) aus finanziellen Gründen großer Unternehmen aufgehoben werden? Eine äußerst bedenkliche Überhöhung der Sicherheit, die als rechtswidrig einzuschätzen ist.

Auf Seite 15 und 17 wird nochmal klar gestellt, daß verstärkte Kontrollen (Ganzkörperkontrollen beispielsweise, nett umschrieben) in Problembereichen (womit nicht etwa die Business-Seats gemeint sind, wo ja mal Bierbecher auf Schiedsrichter fliegen und diese ausknocken, sondern natürlich Stehplätze, insbesondere dort, wo Ultras sich aufhalten – nichts anderes wird damit gemeint sein!) – und um das Ganze auch noch „sicherzustellen“ soll den Vereinen bei einem Verstoß durch Auflagen einzuhaltende Vorgaben für Kontrollen o.ä. gemacht werden können, siehe Seite 25, welche andernfalls mit krassen Sanktionen bedacht werden. Soll das etwa heißen, wenn im Gästebereich einmal Pyro gezündet wird und keine Ganzkörperkontrollen mit Ausziehen und Spähen in alle Körperöffnungen gemacht wurden, daß diese dann für alle Zeiten vm DFB im Gästebereich – sowie sicher auch im Ultra-Stehbereich – als Auflage gemacht und im Falle des Verstoßes dagegen die Fernsehgelder einbehalten werden?

Die nächsten beiden Punkte sind eher als Randnotiz zu verstehen, denn an sich störe ich mich hier nur an Nuancen der Formulierung. Oder etwa doch nicht?

Problematisch sehe ich das Bekenntnis zu Gewaltverzicht, da es durchaus LEGALE Gewalt – wie Notwehr – gibt. Sprich: ein Ablehnung von RECHTSWIDRIGER Gewalt wäre sicherlich kein Punkt, über den man streiten müßte. Doch ohne dieses Wort bestehen gewisse Bedenken, daß bei legaler Gewaltanwendung (beispielsweise wenn einem rechtswidrig angegriffenen Fan geholfen wird) Sanktionen zu befürchten sind. Hier könnte ein einziges Wort durchaus Wunder bewirken. Nicht jede Gewalt ist rechtswidrig. Im Gegenteil, Unterlassene Hilfeleistung ist eine Straftat und es kann bei Nichtausübung von rechtmäßiger Gewalt in gewissen Konstellationen durchaus zu einem Strafverfahren gegen einen kommen.

Beim nächsten Punkt möchte ich mich erstmal kurz und ironisch äußern. Daß es nun auch gegen „Politischen Extremismus“ – Seite 20 – gehen soll, dürfte nebenbei jeden Aufruf zu einer Demonstration gegen Nazis angreifbar machen – denn das ist ja als „Antifa“-Aktion als linksextremistisch und damit böse und verboten aufzufassen, oder? Ob damit auch der „Extremismus der Mitte“ http://de.wikipedia.org/wiki/Extremismus_der_Mitte gemeint sein soll? Eines sollte klar sein – Rechtsextremismus gehört eindeutig bekämpft, da kann es keine zwei Meinungen geben. Wenn man aber die Verfassungsschutzberichte ansieht, für die eine Punkband als linksextrem gilt, weil sie auch Gewalt gegen Nazis beispielsweise nicht ausschließt, und auch noch mehr Seiten als der frisch aufgedeckte NSU im Bericht erhält, dann sollte an dieser Stelle die Frage erlaubt sein, ob durch diese Formulierungen kein Blindheit auf dem Rechten Auge gefördert wird. Es stellt sich die Frage, ober der Begriff „Politischer Extremismus“ wirklich so klar und eindeutig sowie unangreifbar ist, wie die Verwendung hier naheliegt. Die Frage müssen andere beantworten, ich bin hier in meinem Blog eindeutig überfordert, aber http://de.wikipedia.org/wiki/Extremismus zeigt bereits auf, daß das so einfach nicht sein kann.

Inwieweit bei Stadionverboten und anderen Punkten tatsächlich Verbesserungen vorgenommen wurden, vermag ich dem überarbeiteten Papier jetzt nicht zu entnehmen. Allgemein sehe ich in einigen Punkten Verbesserungen, in manchen sogar Verschlechterungen zum ersten Papier. Aber allein aufgrund der Kürze der Zeit halte ich eine Ablehnung für geboten.

Zur Presseerklärung siehe auch noch http://lichterkarussell.net/dfl-will-nagel-mit-kopfen/.