Das Derby ist Geschichte. FCSP und HSV trennen sich 1-1. Fast hätte es gereicht…

Das lang erwartete Derby am gestrigen Tag war derart intensiv hinsichtlich der Erwartungen im Vorfeld und auch der zu erlebenden Emotionen auf den Rängen sowie auch dem sich gegenseitig weitesgehend neutralisierenden Spiel der beiden Mannschaften, daß es mir am heutigen Montag ein wenig schwer fällt, über das Sonntagsspiel zu berichten. Nicht, weil ich sonderlich über das etwas glücklich-unglückliche Unentschieden durch den Sonntagsschuß von Petric in der 87. Minute enttäuscht wäre – das war zwar schade, aber irgendwie auch leistungsgerecht – es war nur insgesamt eine solche emotionale Intensität, daß ich mich immer noch ein wenig erschöpft fühle. Das mag sicherlich auch an den paar Astra liegen, die ich vor sowie vor allem nach dem Spiel zu mir genommen habe – auch wenn ich die erst heute morgen als in meinem Körper vorhanden richtig bemerkt habe. Vermutlich ist es eine Mischung aus allem – denn gerade diese Mischung aus Vorfreude und Anspannung ob dieses Schlagerspiels daheim am Millerntor war doch schon im Vorfelde Kraft raubend. Aber Spaß hat es allemal gemacht, zudem ich nach dem Spiel auf einen Schlag die „Bezugsgruppe“ von Jekylla samt dieser kennenlernen durfte. Auch über das Spiel gibt es viel zu berichten, so daß ich mal nachfolgend meine Perspektive einbringen möchte.

Es hat ja eine Ewigkeit gedauert, bis der HSV bei uns am Millerntor zu einem Bundesliga-Pflichtspiel antreten mußte. Allein dies ist schon ein Sieg, wie ich auch gegenüber einem vor Siegessicherheit trunkenden HSV-Anhänger auf der Fahrt zum Stadion erwähnte, nachdem dieser mich mit einem Spruch à lá „warum fährst du erst noch hin, ihr verliert doch eh“ von der Seite ansprach. Alles war weitab von Gewalt oder auch nur dem Risiko einer solchen Wendung auf dem Hinweg bei mir entfernt, so daß ich zwar voller Spannung, aber ohne jede Sorge zur St. Pauli Station gelangen konnte. Und dort das Auftreten der HSV-Spieler bereits beim Warmmachen als Anblick daheim am Millerntor einfach nur genießen konnte. Was für ein Unterschied zu Drittligazeiten – oder auch jenen aus der 2. Liga. Ein wirklicher Genuß, von den seltsamen HSV-Anhängern einmal abgesehen.

Über die kleineren Mängel auf der neuen Haupttribüne wurde ja bereits hinreichend berichtet, auch wenn mir diese selber bei meiner persönlichen Begehung nicht aufgefallen waren. Hinsichtlich der Rollstuhlfahrer sind die Anregungen schnell umgesetzt worden und das Podest wurde erhöht, so daß diese nun einen ungehinderten Blick auf das Spielfeld hatten. Sah zumindest so aus. Inwieweit die anderen kleineren Sichtbehinderungen, die nur für einige Sitzplätze gelten (dort aber umso störender empfunden werden), noch beseitigt werden, das wird sich in der Zukunft erweisen. Von den angedachten durchsichtigen Geländern sah man zumindest noch nichts.

Die im Auftaktheimspiel vermißte zweite Herzfahne auf der Nord ist rechtzeitig zum Derby gegen den HSV wiedergekehrt. Auch sonst mangelte es wahrlich nicht an materieller Unterstützung durch die FCSP-Fans. Eine wahre Konfetti- und Luftballonorgie wurde zum Einlaufen der Mannschaften abgeliefert. Diese sehenswerten Augenblicke habe ich nicht eingefangen, da war ich viel zu sehr mit dem Mitmachen und Jubeln beschäftigt. 😉

Vor dem Einlaufen der beiden Teams stand aber noch eine lange und sehr aufregende Vorfreudezeit. Zur weiteren Beruhigung der Gemüter wurde diesmal nicht nur die Gästehymne gespielt, auch sonst war der FCSP so frei, zusammen mit dem anderen Hamburger Fußballverein die musikalische Einstimmung zu begehen. Songs von beiden Vereinen wurden abwechselnd gespielt und sorgten so zwar für ungewöhnte Töne, doch fand ich dies vom Prinzip her gut und gelungen. Denn der HSV war bei uns zu Gast und sollte sich auch entsprechend behandelt fühlen. Wir sind schließlich alles Hamburger (wozu ich hier auch mal die auswärtigen Fans zählen will…).

Von der Süd kamen mal wieder einiges Sehenswertes, was sich wohl auch von dort diesmal ins ganze Stadion verbreitet hatte. Das Konfetti und die Ballons waren eine sehr schöne Idee, was wirklich für eine tolle Stimmung sorgte. Die vereinzelten Toilettenpapierrollenwürfe auf den gegnerischen Kasten hätte man sich zumindest nach dem Anpfiff hingegen verkneifen können, ebenso wie die Pfeifkonzerte beim Abspielen der HSV-Hymne und das sinnfreie Ess Zeh Ha Punkt Punkt Punkt – Gerufe zum Gästeverein. Was soll denn dieses Absinken auf das Niveau der Anderen? Aber letzteres kam zum Glück nur von der Süd, jedenfalls nach meiner Wahrnehmung, und vor allem auch nur vor dem Spiel. War aber bereits zuviel. Positiver Support sieht anders aus und steht uns einfach besser zu Gesicht, hilft der eigenen Mannschaft auch viel mehr.

Die Nord war wie auch das restliche ausverkaufte Millerntor voll, sowohl die HSV-Anhänger als auch die FCSP-Fans unterstützten in positiven Momenten ihre jeweilige Mannschaft. Aus dem Gästeblock kam allerdings auch eine ganze Menge anderer Unsinn, um es einmal freundlich zu formulieren. Ungemein aggressive Töne, immergleiche „Sch… St. Pauli“ Rufe und Gesänge – die mit höhnischem Applaus amüsant gekontert wurden von den FC St. Pauli Fans – und vor allem die Aussetzer während des Spiels sollten dem Stadtrivalen peinlich sein. Ich hätte mich jedenfalls geschämt, wenn unsere Fans woanders oder auch daheim so auftreten würden.

Das Zünden der blauen Rauchbomben zum Einlauf der Spieler war jedenfalls die erste wirklich dämliche Aktion der Gästefans im Stadion. Zuvor hatten diese sich schon durch Krawalle mit der Polizei auf dem Weg zum Stadion und auch beim Versuch einiger Chaoten, ohne Karte sich ins Stadion zu drängeln und prügeln, selbst in Mißkredit gebracht. Das wird für den HSV sicher teuer werden. Leider werden auch wir für deren Stumpfsinn finanziell mit herangezogen werden, wobei ich mich frage, wie man derartige Aktionen von Seiten der Heimmannschaft jemals wirklich verhindert kann durch noch so strenge Einlaßkontrollen. Ich fordere ja schon seit Ewigkeiten, daß bei so etwas nicht das Heimteam zur Verantwortung gezogen werden sollte. Erwähnen möchte ich noch, daß das Atmen bei dem blauen Rauch nicht gerade einfach war – eine gesundheitlich schädliche Aktion, die das wahre Gesicht der HSV-Fans gleich zu Spielbeginn deutlich zeigte.

Aber der guten Stimmung der eigenen Anhänger im Millerntor tat dies keinen Abbruch. Hier der Blick von der Haupttribüne aus auf die Gegengerade.

Daß sich nicht nur reine FCSP-Fans unter den eigenen Anhängern befanden, sah man am deutlichsten bei der einen Loge auf der Haupt, die ganz in den Schwarz-Weiß-Blauen-Vereinsfarben des Gastes geschmückt war. Man mag sich darüber wundern, was für Mieter die Separees haben. Vielleicht war des diesen Mietern ja beim HSV zu teuer und sie zahlen ihren Obolus nun lieber an den FC St. Pauli? Was solls. Manchen schlägt eben auch ein HSV-Herz in ihrer FCSP-Brust, soll es ja alles geben. Warum man allerdings rein die Farben des HSV bei diesem Derby als FCSP-Gänger trägt, das erschließt sich mir dann nicht so wirklich. Doch es gab mit jenen Besuchern keinerlei Probleme. Scherzhafte Sprüche waren das Einzige, von Gewalt von beiden Seiten keine Spur.

Der weit überwiegende Teil der FCSP-Fans stand natürlich vollkommen hinter der eigenen Mannschaft, wie man auch hier beim Blick auf die Haupt sehen kann.

Während des Spiels kam es zu weiteren Feuerwerksaktionen aus dem HSV-Block. Besonders amüsant in diesem Zusammenhang ist die sichtbare Werbung. Wenigstens diese Kombination war lustig. Intelligent von Seiten der Gäste sieht anders aus.

Es hätten sicherlich noch etliche weitere Karten verkauft werden können, wie man an diesem vollbesetzten Bunkerausblick erkennen kann.

Zum Spiel selber gibt es nicht wirklich viel zu sagen. Beide Verteidigungsreihen negierten fast alle Bemühungen der Gegenseite. Vom Ballbesitz hatten sicherlich die Gäste ein leichtes Plus, dafür wir hinsichtlich der Chancen, doch Zählbares kam erst heraus, als vielumjubelt Gerald Asamoah zu seinem Pflichtspieldebut kam. Großartig, wie er fortan unser Angriffsspiel gefährlicher machte – und prompt fiel auch durch seine Vorarbeit durch einen großartigen Schuß von Fabian Boll das 1:0.

Das späte Ausgleichstor durch Petric mit seinem Sonntagsschuß – im wahrsten Sinne des Wortes – war eher überraschend, auch wenn man es schon sekundenlang deutlich kommen sah bei der Entstehung. Hier schlief unsere sonst so überragende Abwehr leider ein wenig und ließ den halb ausgemusterten HSV-Star zum Schuß kommen. Es war bei der hervorragenden Innenverteidigung, bei der wieder einmal Carlos Zambrano herausstach, wohl auch schwer, von einer anderen Position als eben dort von ganz Außen vorm Strafraumeck zu einem erfolgreichen Abschluß zu kommen. Schade, aber umgehauen hat es uns auch nicht. Ein Punkt ist ein Punkt und fast wären es halb sogar drei geworden. Aber eben nicht verloren und auch ein Tor daheim gemacht.

Wieder einmal ein spätes Tor, wir können von mir aus auch gerne mal im ersten Dreiviertel der Spielzeit treffen. Aber mit Asamoah dürfte dieser Traum sicherlich in Zukunft auch des öfteren nun Wirklichkeit werden.

Die Folgen der Materialschlacht nach dem Spiel waren überall sichtbar. Und auch sonst ging es offensichtlich auch noch hoch her. Draußen vor dem Stadion heulten die Sirenen und die Blauen mit den grünen Stutzen liefen etwas ziellos hin und her, um irgendwohin zu kommen, wo etwas los sein könnte. War es sicherlich auch, nur eben nicht in der Nähe vom Millerntor, wo ich es mitbekommen hätte. Den versuchten Überfall auf das Jolly durch eine kleine Horde HSV-Hools konnte man nur durch das Aufgebot erahnen, jedenfalls sah ich außer herumfahrender Wasserwerfer davon gar nichts, hatte an diesem Anblick aber auch gar kein Interesse.

Ich wollte lieber gemütlich noch das eine oder andere Astra trinken und Leute treffen – das klappte ja wunderbar.

Zur Vervollständigung verweise ich auf die lesenswerten Eindrücke http://metalust.wordpress.com/2010/09/20/du-assi-pauli-du-merk%C2%B4-dir-die-beiden-worte-h-s-v/, http://santapauli.wordpress.com/2010/09/20/19-09-2010-fc-sankt-pauli-vs-hsv/, http://www.ring2.de/archives/derby-fcsp-hsv-falsch-rum-richtig/ und http://quotenrock.wordpress.com/2010/09/20/fcsp-vorortclub-lasst-2-zahler-im-stadteil-liegen-der-fc-st-pauli-gibt-in-den-schlusminuten-2-zahler-ab/. Weitere Verweise sind dort zu finden. Es gibt viel zu Lesen zu dem Derbytag und es lohnt sich.

P.S.: Auch noch lesenswert: http://www.woche.at/graz/sport/in-st-pauli-wird-der-fussball-gelebt-d16468.html (wenn auch wieder zu sehr durch die Kultbrille betrachtet, aber dennoch schön zum Durchsehen).