FCSP – Freiburg 2:2 zum Protest der Fanszene

In Fortsetzung meines Berichtes http://kleinertod.wordpress.com/2011/01/16/das-millerntor-in-rot-und-das-war-erst-der-anfang/, bei dem ich vor allem bis kurz vor dem Erklingen der Hells Bells-Klänge meine Eindrücke in Wort und Bild präsentiert habe, will ich nun neben den weiteren Impressionen auch zu einigen Nachklängen bis heute Stellung nehmen.

Kleine Anmerkung vorab: worum es bei dem Fanprotest geht, das kann man übrigens nach wie vor hier nachlesen: http://kleinertod.wordpress.com/2011/01/07/bring-back-sankt-pauli-zeichen-setzen-fur-das-gemeinsame-ziel/.

Bei den 11Freunden ist die Befürchtung der protestierenden Fan-Szene, Ihr Jolly Rouge – Symbol könnte bald im Fanshop als Merchandise-Artikel auftauchen, wiedergegeben worden – http://www.11freunde.de/bundesligen/135659/sozialromantiker_und_501-regelkunde – das Ganze will ich mal positiv als Anregung an die Vereinsführung deuten, nämlich die Möglichkeit für diese, bei einem Eingehen auf die Fanforderungen noch mehr als sonst schon als der andere Verein angesehen werden zu können und dadurch in wirtschaftlicher Hinsicht vorteilhaft und nicht wie befürchtet benachteiligt aus der Sache herauszugehen. Man müßte sich nur in Richtung auf die Fans und in deren Sinne bewegen.

Die Wirkung des Fanprotestes in der Öffentlichkeit sollte dabei aber nicht überschätzt werden. Ob es nun an der unerträglichen Abwertetaktik des Präsidiums in Person von Herrn Stenger lag oder aber an blanker Unkenntnis und mangelnder journalistischer Fähigkeit, Fehleinschätzungen wie auf Hamburg1, wonach einige Hundert St.Pauli-Fans dem Aufruf der Sozialromantiker nur gefolgt seien oder gar lediglich 400 Fans, wie bei http://www.online-presseportal.com/sport/st-pauli-was-wollen-sozialromantiker-14390/ behauptet, sind jedenfalls kaum zu erklären, wenn man dabei war oder sich diese Bilder anschaut.

Protestiert haben nämlich nicht allein die „üblichen Verdächtigen“, auch nicht allein die Südstehplätze, die hier so gut zu sehen sind, das ganze Stadion war überwiegend in Rot gehalten, insbesondere auf den Stehplätzen. Gegengerade mit Blick von der Haupt und Nord hatte ich in diesem 2. Teil des Berichtes auch schon aufgezeigt, so daß sich weitere Belege eigentlich erübrigen. Doch da es so schön anzusehen und vor allem wichtig war, kommt natürlich noch mehr… 😉

Während sich die roten Fahnen bislang noch halbwegs zurückgehalten hatten, wurde mit jedem Moment und erst Recht bei Erklingen der Hells Bells deutlicher, wie groß die Unterstützung der Forderungen der Sozialromantiker in der Fanszene wirklich ist. Dabei gab es vorher noch so manche Überzeugungsarbeit zu leisten. Die Ablenktaktik des Präsidiums oder allgemeine Fehldeutungen hatte bei einigen zu dem Fehlschluß geführt, daß die Unterstützung der Mannschaft nicht wie gewohnt im Verlauf des Protestes erfolgen würde. Hier hat Jekylla – http://santapauli.wordpress.com/2011/01/16/das-herz-von-st-pauli-schlagt-in-tausenden/ – ein schönes Beispiel aufgeführt, wie durch Aufklärungsarbeit im Vorfeld weitere Unterstützer gewonnen werden konnten – das frühe Ankommen sowie die Verteilung des Infomaterials nebst persönlichen Gesprächen hat sich also gelohnt.

Daß gleichzeitiges Fahne-Schwenken und Bilder anfertigen nicht ganz so einfach sind, das belegt dieses Bild. Auf beides wollte ich hier einfach nicht verzichten, dafür war mir beides zu wichtig – selbst am Protest teilnehmen und gleichzeitig auch diesen zu dokumentieren.

Wie sehr sich das Präsidium darum bemüht, den Protest zu diskreditieren, kann man vielleicht der Äußerung von FCSP Urgestein Walter Frosch entnehmen, den ich wenige Tage vor dem Spiel in die Geschäftsstelle unseres Vereins habe gehen sehen und der heute laut MoPo verkündet, die Fans sollten lieber mehr die Mannschaft unterstützen als zu protestieren – http://www.mopo.de/2011/20110118/sport/stpauli/sorgen_um_st_pauli.html. Ich vermute hier mal, daß der geschätzte Herr Frosch aus Gesundheitsgründen nicht live mit dabei war und so nicht mitbekommen konnte, daß es am Samstag definitiv nicht an der Unterstützung der Fans lag, daß die Partie nicht gewonnen werden konnte. Die Spieler berichteten ja im Gegenteil, daß es noch lauter als sonst gewesen sei und dies war auch eher mein Eindruck.

Beispielsweise die Laustärke bei dem gehaltenen Elfmeter, den der unsäglich schlechte Schiri nach einem angeblichen Handspiel von Zambrano, als dieser (von meiner Position aus der Entfernung) deutlich erkennbar den Ball ins Aus köpfte, gegeben hatte. Nicht ohne Grund wurde dieser am Ende mit Pfiffen verabschiedet – was in der Spieltagszusammenfassung, wie sie auf der Flimmerkiste zu sehen ist, allerdings ungeschickt durch das Zeigen der enttäuschten FCSP-Spieler im Mittelkreis ganz anders in den Fernsehbildern wirkte. Nein, an einer mangelnden Unterstützung lag es an diesem Tag sicher nicht, die Spieler wurden weder ausgepfiffen, noch ging einer früher oder war leiser als sonst – eher im Gegenteil, angeregt durch den Protest haben sich viele noch mehr als sonst engagiert. Und je deutlicher es den Einzelnen wird, daß Ihr Anliegen nicht ungehört verhallt, umso mehr werden sie sich auch in Zukunft lautstark ins zeug legen, da bin ich mir sicher.

Die Protestbewegung unter dem Zeichen des Jolly Rouge ist in mehr als einer Hinsicht eine Chance für den Verein – denn die Fans, die jetzt mitgenommen und begeistert werden können, werden für noch mehr Leidenschaft als sonst schon sorgen können. Was sind im Vergleich dazu einige wenige Euro weniger, die vielleicht herauskommen könnten, wenn ein Teil der B-Sitze zurückgebaut werden, die eh die meiste Zeit nicht vollständig ausverkauft sind und stattdessen die vielen Fans, die bislang draußen bleiben mußten, mit dazu kommen könnten? Besser als ein Platz, der alle zwei bis drei Spiele verkauft wird, sollte doch ein stets verkaufter Platz zu vielleicht etwa einem Viertel des Preises sein. So groß kann dann der Verlust nicht sein, daß die Klasse gefährdet wäre!

http://www.hamburg-web.de/magazin/artikel/Rote-Fahnen-und-der-Jolly-Rouge-101282.htm zeigt auf eine gute Weise, daß der Protest auch verstanden werden kann und es nicht darum geht, den Kommerz abzuschaffen, wie auf Hamburg1 gestern in einem Bericht fälschlicherweise behauptet wird.

Mit den Höllengeläut und dem Einlauf der Spieler verwandelte sich das Millerntor wie gewohnt in einen Hexenkessel – nur eben noch eine Spur lauter und vor allem in anderen Farben als sonst. Das mußte man selber erlebt haben, das können die Bilder gar nicht ansatzweise einfangen. Wie allgemein einen Besuch am Millerntor eben, aber dieser Tag war doch wirklich noch eine Steigerung des Normalen.

Und natürlich blieb auch alles wie gewohnt friedlich. Sicher gab es auch den einen oder anderen heißblütigen kleineren Disput zwischen den Fans, beispielsweise zwischen Protestlern und vehementen Ablehnern von jeglichem Widerspruch gegen die Vereinsführung, doch wurde dabei nie vergessen, daß wir alle FCSP-Fans sind und schon im nächsten Moment wurde sich freundlich zugeprostet oder bei einem Torjubel mit einem Lächeln wieder abgeklatscht. So jedenfalls meine Beobachtungen des Tages, umfassende Erkenntnisse vermag ich als Einzelperson ja nie zu erlangen.

Auch kann ich nicht beurteilen, wie sehr die Haupttribüne bei dem Protest mitgemacht hat. Aus meiner Sicht, also von H3 aus gesehen, zusammen mit den Oldtras und anderen begeisterten Mitmachern in Rot, sah es auch hier sehr deutlich nach einer größeren Unterstützung aus. Wenn beispielsweise im Forum eine Einzelstimme den Eindruck schildert, die Haupt hätte gar nicht mitgemacht, so kann ich dies nur verwundert zur Kenntnis nehmen. Vielleicht gucken manche bei der Haupt ja nur auf die B-Sitze oder meinen, daß die Randsitzer wegen ihrer Sitzposition vernachlässigt werden könnten. Das Gegenteil ist eher der Fall – die Haupttribüne sind im Wesentlichen die Randsitzer, die B-Sitze kommen quasi nur ergänzend dazu. Manch einer hat von dort aus ja auch mitgemacht, ebenso von den Logen aus, wie ich ja schon im ersten Teil berichtete.

Von einer Loge aus kam auch diesmal die Anfeuerungsaufforderung von unserem Oldtras-Antreiber, der sich das Spiel einmal aus einer anderen Perspektive ansah. Ohne aber dabei seine gewohnte Unterstützung zu vernachlässigen. Ob nun von vorne oder von hinten – er kann einfach immer alle mitreißen und irgendwie warten auch alle einfach nur auf seine Aufforderung zum Mitmachen. Ich kann nur immer wieder betonen, wie wichtig daß gerade für die neue Haupt ist. Aber auch die Wechselgesänge mit den anderen Kurven klappten diesmal, wenn leider auch nicht immer. Der eine Versuch mit der Nord ging leider im Spielverlauf unter, bei der Süd wenig später hingegen machten alle mit.

Die erste Halbzeit war wie die zweite ungemein spannend. Nachdem Ebbers bewiesen hatte, daß er als Stürmer eben doch ein Volltreffer ist (leider müssen wir demnächst üfr etwa zwei bis drei Wochen wegen eines Muskelfaserrisses auf ihn verzichten, siehe http://www.mopo.de/2011/20110118/sport/stpauli/muskelfaserriss_ebbers_faellt_aus.html), gab es bis zum Halbzeitpfiff keinen weiteren Torjubel mehr. Hier möchte ich mal neben den Elfmetertöter Kessler noch Naki wie auch Takyi hervorheben, die mir weitaus besser als in der Hinserie gefielen, wobei beide noch weiteres Steigerungspotential besitzen. Insgesamt gefiel mir die Manschaftsleistung an diesem Tag. Wie eben auch der Protest, wobei letzteres für die Vereinsführung sicherlich nicht galt.

Bring Back Sankt Pauli – das ganze Spiel stand im Umfeld unter diesem Vorzeichen und die kreativen Aktionen waren einfach wunderbar. Auch die Sozialromantiker konnten sich nicht vorstellen, wie genial und vielfältig die Protestaktionen ausfallen würden, waren aber genauso begeistert wie alle anderen, die den Protest unterstützen: http://www.sozialromantiker-stpauli.de/wordpress/?p=165.

Die zweite Halbzeit offenbarte leider die unglaublichen Stärken des Freiburger Starstürmers Cisse, der zwei Chancen sehr geschickt zu nutzen wußte, wobei die neu formierte Innenverteidigung um Zambrano und Gunesch beide male nicht gut aussah. Dabei gefiel mir besonders Gunesch sonst wieder sehr, nur machen solche Aktionen den guten Eindruck unter dem Strich eben leider hinfällig. Ob die beiden gut harmonieren, wird man hoffentlich trotzdem noch ein weiteres mal erproben, ich finde die beiden jedenfalls noch einen Tick besser als die ebenfalls sehr starken Alternativen.

In der Halbzeitpause wurde schonmal auf die nach dem Spiel angekündigte Demonstration verwiesen, die eben auch die Bring Back Sankt Pauli – Aktion beinhaltete, zusammen aber auch mit den Entwicklungen im Viertel selbst. Ob diese Vermischung so sinnvoll war, darüber kann man geteilter Meinung sein – in jedem Fall wurden so einigen Medien Bilder von den Jolly Rouge Fahnen gezeigt, die aus rechtlichen Gründen aus dem Stadioninneren nicht zeigen durften. Unterstützenswert war diese Demo aber aus inhaltlichen Gründen sicherlich – nur für mich war das an diesem Tag nach einer sehr kurzen Nacht zuvor dann zuviel.

Zu sehen gab es an diesem Tag aber auch so noch sehr viel. Wie diesen genialen Bierbecherhalter im Protestlook. Eine amüsantere Verwendung des Jolly Rouge ist mir noch nicht untergekommen. Einfach klasse. ^^

Aber auch das Spiel lief ja noch und die zweite Halbzeit war extrem spannend. Nach dem Ausgleich, der wie aus heiterem Himmel fiel, konnte dank Asamoah, wieder nach einer tollen Oczipka-Flanke, der mir sonst aber nur durchwachsen gefiel, den zwischenzeitlichen Führungstreffer erzielen. Cisse glich zur Freude der Freiburger Fans aber leider wieder aus zum Endstand von 2-2.

Die Fans aus Freiburg waren aber auch eine Freude an sich. Nach dem Abpfiff kam noch ein sehr schöner St.Pauli-Wechselruf mit den sympathischen Gästen zustande und ein gegenseitiges Hochlebenlassen war auch noch dabei. Mit diesen Freiburgern macht ein Zusammentreffen in jeder Liga einfach viel Spaß und sehr gerne auch wieder in der nächsten Saison.

Zum Spiel selber ist damit eigentlich alles gesagt. Das Wesentliche aber bleibt nach wie vor ein Thema – die Spannungen zwischen Vereinsführung und den Fans aufgrund des Umganges und die Grenzen von Kommerz. So abstrus wie hier befürchtet ist es ja zum Glück noch nicht, aber man weiß ja nie, wohin wir kommen würden, wenn wir nicht deutlich machen, was wir wollen und wo für uns eine Grenze erreicht bzw. überschritten ist.

„Susi, wir spielen bei dir doch auch kein Fussi“ zeigt ein weiteres Problemfeld deutlich. Die Weigerung des Vereines, hier deutliche Grenzen zu setzen, macht die Fangemeinde nicht glücklich. Der weiche Weg des Präsidiums, Stangentänze nur während des Spiels aber nicht davor, dazwischen oder danach zu verbieten – http://www.welt.de/print/die_welt/sport/article12216355/Busenwunder-auf-St-Pauli.html – ist in meinen Augen nicht ausreichend.

Inwieweit die Vereinsführung dieses wie auch die weiteren Anliegen der Protestler versteht, dies werden die heute geführten Gespräche vielleicht zeigen. Da bin ich schon sehr gespannt.

Die Fanszene des FC St. Pauli hat jedenfalls an diesen Samstag deutlich gemacht, daß nicht nur 4000 Leute aus dem Internet hinter der Petition der Sozialromantiker stehen sondern ein überwiegender Teil der Besucher im Millerntor. BRING BACK SANKT PAULI ist vielen ein Anliegen, weil es ihnen eben wirklich wichtig ist, weil ihnen der Verein am Herzen liegt.

Dies konnte man nicht nur im Millerntor auf den Rängen, sondern auch überall im Viertel sehen, wo der Jolly Rouge an den Balkonen und anderswo gezeigt wurde.

Den wunderschönen Tag ließ ich dann in der Domschänke ausklingen, wohin sich auch die anderen Blogger – siehe auch sehr schön http://metalust.wordpress.com/2011/01/16/lieber-rot-als-tot/ – wieder begeben hatten und man sich zu ersten Eindrücken austauschen konnten. Wie schon vor dem Spiel leuchteten auch nach dem Spiel die Augen überall, eigentlich eher noch ein wenig mehr und mit einer gewissen Zufriedenheit.

Was nun wirklich aus dem Protest wird, dies werden die nächsten Tage sicherlich zeigen. Er ist jedenfalls noch lange nicht vorbei. Es hat gerade erst angefangen…