Gästefans im Heimbereich – eine tickende Zeitbombe?

In meinem Erlebnisbericht über das Heimspiel gegen Hannover 96, nachzulesen hier http://kleinertod.wordpress.com/2011/02/28/dankeshymnen-und-niederlage-hannover-96-nimmt-die-punkte-mit/, habe ich bereits ausführlich über das Fehlverhalten einiger Gästefans am Millerntor berichtet. Jetzt möchte ich das Ganze noch ein wenig vertiefen und verallgemeinernd darstellen, handelt es sich bei der Thematik Gästefans im Heimbereich doch um ein Problem, welches sowohl über ein Spiel als auch über das Millerntor hinausgeht. Was ist also das Problem, wie könnte man es lösen und was spricht gegen eine Änderung des Ist-Zustandes?

Ersteinmal möchte ich vorausschicken, daß es mir um die Probleme mit Gästefans außerhalb des Gastbereiches geht. Eine Pyrodiskussion oder ähnliches möchte ich an dieser Stelle nicht führen – das Verhalten im Gästeblock selber sei hier also dahingestellt. Die Unterstützer des Gastes sitzen (möglicherweise nicht nur das, auch wenn ich derartiges momentan für weniger wahrscheinlich halte, mit dem Ausbau der Gegengeraden und mehr Stehplätzen könnte sich aber auch dieses ändern) aber nicht nur im ausschließlich für die Gäste ausgewiesenen Bereichen. Zudem laufen diese um das Stadion frei herum und können sich auch im Millerntor selber mitunter überraschend frei bewegen.

Fange ich mal außerhalb des Stadions an. Die Durchmischung mit friedlichen Gästefans stellt für mich hier nicht nur kein Problem dar, ich halte dies sogar für begrüßenswert und freue mich immer, wenn ich mit Fußballfans aus anderen Städten freundlich kommunizieren kann. Natürlich kann es sein, daß auch hier der eine oder andere sich nicht zu benehmen weiß – daß es dann zu Problemen kömmen könnte, kann man dann andererseits auch nicht ausschließen. Letztlich kann es immer und überall Probleme im zwischenmenschlichen Bereich geben und außerhalb des Stadions wird dies niemals ganz zu verhindern sein – wobei bei extremen Risikospielen durchaus ein gelenkter Besucherstrom zumindest unmittelbar um das Millerntor selber etwas bewirken kann. Für mich aber etwas, was ich nur als absolute Ausnahme erleben will. Mit den meisten Gästen kann man ja irgendwie noch gut vor dem Stadion gut auskommen.

Im Stadion selber sieht es dann aber schon etwas anders aus. Viele empfinden das Millerntor nicht als irgendeine Erlebnisstätte, sondern durchaus als ihr „eigentliches“ Wohnzimmer. Hier fühlt man sich daheim und tief verbunden mit der FCSP-Gemeinschaft. Während auf den Stehbereichen die Grüppchenbildung mehr oder weniger „beweglich“ erfolgt, sind auf den Sitztribünen die Plätze fest und eindeutig definiert. Neben, vor und hinter wem man an einem Tag sitzt, das kann man selber nicht beeinflussen und auch nicht ändern. Hier verkauft der Verein die Karten bzw. werden diese (leider allzu häufig unerlaubt und zu asozial überteuerten Preisen auf dem Schwarzmarkt) von den Sitzplatzberechtigten an Dritte weitergegeben. Da kann es also passieren, daß man sich plötzlich direkt neben, vor oder hinter einem oder gar mehrerer Gästefans wiederfindet, im unglücklichsten Falle sich sogar von solchen „Fremdkörpern“ im eigenen Stadion eingekreist sieht. Ein Heimspielgefühl wird da zumindest nicht ganz so leicht aufkommen können, als wenn man sich von FCSP-Anhängern (wohlgemerkt: im reinen Heimbereich) umringt finden würde.

Eine solche Situation habe ich mehrfach auf der Haupt und auch auf der Nord erlebt – und zwar über alle Ligen und mehrere Jahre. In den wenigsten Fällen wurde daraus ein Problem – aber es kam auch vor, daß sich manche Gäste daneben benahmen und es daraus resultierend zu Ärger kam. Und Ordner sind nicht überall so präsent, als daß deren Eingreifen schnell möglich wäre oder aber diese das alles mitbekommen. Zumal nicht jeder Sitzplatz in der Nähe eines Aufgangs liegt – Hilfe zu holen ist da schon in zeitlicher Hinsicht fast ausgeschlossen. Wenn, wie leider schon geschehen, solche Gästetrauben die angrenzenden Heimfans mit Beleidigungen und Schmähgesängen sowie sexistischen und rassistischen Sprüchen und Anmachen belästigen, dann ist die gute Laune ganz unabhängig von den daraus resultierenden Konsequenzen dahin. Aber auch schon ein nachhaltiger Torjubel oder eine nicht enden wollende Siegesfeier von Gästefans im Heimbereich steht in einem krassen Gegensatz zum Empfinden der Heimfans, die mit solchen völlig konträren Emotionsäußerungen nicht immer umgehen können oder wollen – vor allem dann nicht, wenn sich Schmähgesänge und Beleidigungen oder ähnliches dann auch noch dazu gesellen.

Aber auch außerhalb der Plätze kam es auf der Haupt in letzter Zeit zu wiederholt unschönen Szenen. Einige Anhänger aus Frankfurt und Hannover hatten sich daneben benommen, indem sie auf den Aufgängen feiernd und Schähgesänge rufend auf und abliefen sowie auch dergleichen vor der Tribüne im Rollibereich ungehindert von den Ordnern ablieferten. Hier wurde mitunter nicht oder zu wenig gegen vorgegangen. Ich zitiere mal von einem anderen Erlebnisbericht, den ich per mail erhalten habe: „eine Gruppe aggressiver Gästefans (hat) ungehindert zuerst vor unserer Nase, mit Schlägen gegen die Bande, ihre Mannschaft abgefeiert (…) und sich danach, mit provozierenden Sprüchen und sexistischen Rufen gegen unsere Frauen, pöbelnd gegen die HT-Besucher gerichtet (…) (als wir verbal reagiert haben, waren die schnell weg). Eine andere Gruppe (ca. 6 Leute), die offenbar zu Gast in H2 oder H3 war, hat dieselbe Nummer abgezogen.„.

Hier möchte ich (ebenfalls, wie auch der vorzitierte Berichterstatter später, dazu gleich mehr) unsere Ordner auf der Haupt jedoch nicht in Miskredit bringen. Mit diesen kommen wir gut aus und sie verrichten größtenteils eine sehr gute Arbeit. Allerdings habe ich den Eindruck, daß mitunter zu wenige im Heimbereich bei all den Gästefans dort vor Ort sind und deshalb vielleicht auch nicht alles mitbekommen bzw. sich nicht um alles zu kümmern in der Lage fühlen. Ich zitiere dazu auch den o.a. Erlebnisbericht weiter: „Die eingesetzten Ordner haben in der Vergangenheit immer ausgereicht. Selbst gegen Mannschaften wie Rostock (da waren auch mehr im Einsatz) hatte ich immer den Eindruck, dass hier alles im Griff ist. Die letzte Erstligasaison habe ich auch nicht so schlimm in Erinnerung. Ich bin auch nicht der Typ, der sofort hingeht wo es raucht (ich musste mich in 40 Jahren noch nie prügeln). Aber mittlerweile verdirbt mir die Angst vor aggressiven „Fans“ in unseren Bereichen den Spaß am Spieltag. Pöbeln kann ich ab. „Scheiß St.Pauli“ rufe ich, ironisch, noch lauter zurück. Aber wenn mir offen Gewalt angedroht wird, hört der Spaß auf. Ich habe kein Problem damit Ordner um Hilfe zu bitten. Ich halte das nicht für denunzieren, sondern für das genau richtige Verhalten. Aber wenn selbst ein eher friedliebender Mensch wie ich, sich plötzlich als Schlichter zwischen vier Streithälsen wiederfindet (das war beim Frankfurt-Spiel der Fall) und die Ordner erst viel später dazu kommen („war was?“) dann sehe ich meine Angst nicht als unbegründet.

Mitunter wird ja gefordert, daß sämtliche Gäste aus den Heimbereichen fernzuhalten wären. Dies halte ich für zu weit gehend, vor allem auch aus dem Grunde, daß man kaum erkennen kann, wer für welchen Verein die Daumen drückt, wenn die Kleidung neutral ausfällt. Und auch die eindeutig gekleideten Gästefans haben eine Karte und damit an sich einen Sitzplatzanspruch. Hier könnte man vielleicht die Stadionordnung ändern, was ich aber auch aus dem Grunde für bedenklich halte, daß dies nur zu einer Verkleidung führen und auch in anderen Stadien unsere Fans treffen würde. Mit vielen der Gäste kann man ja allgemein auch gut klarkommen.

Nur eben dann, wenn diese sich nicht zu benehmen wissen, sollte m.E. rasch und gerade bei Gästefans schnell durchgegriffen werden. WENN man schon Gäste in den Heimbereich läßt, dann sollte diese Erlaubnis klar dahingehend eingeschränkt sein, daß bei provozierendem Verhalten (Schähgesänge, Feiern auf Abgängen oder im Rolli-Bereich) SOFORT ein Verweis aus dem Stadion erfolgt. Bei Heimfans oder nicht als solchen erkennbaren Gästen (einschließlich Jubelverhalten) sollte aber ein anderer Maßstab anzulegen sein – schließlich ist dies der Heimbereich und die Gäste sollten hier nur „geduldet“ werden und nicht auch noch als Gäste mehr Freiheiten als der Gastgeber genießen dürfen – sondern eben weniger. Nichts anderes würde ich als Gast bei einem anderen Verein erwarten.

Hierzu würde ich auch einige Ordner mehr für sinnvoll halten. Leider erforderlich, könnte man auch formulieren, denn allein wegen der Gäste im Heimbereich halte ich eine stärkere Kontrolle für nötig. Man könnte natürlich auch an so etwas wie eine jederzeit erreichbare Notrufnummer für Ordner denken, die entsprechend kommunziert und vielleicht sogar auf den Plätzen angebracht wäre – das könnte das Personal geringer halten und schneller an Ort und Stelle bringen. Dann müßte aber bei Gästen auch entsprechend durchgegriffen werden.

Ich will in Zukunft keine blutigen Nasen mehr sehen, keine verletzten FCSP-Fans im Heimbereich. Am Millerntor – IM Millerntor vor allem – will ich keine Angst davor haben, von Gäste-Hools überfallen zu werden, bzw. ich will keine Sorge haben müssen, wenn ich andere Leute oder gar Kinder mit ans Millerntor bringe(n sollte). Ohne gleichzeitig eine Einschränkung hinnehmen zu müssen, die uns allen schaden würde.