Nach der gruseligen, aber historisch noch als normal einzustufenen Pokalblamage, die neben dem standesgemäßen Ausscheiden aber eben auch als Auftritt insgesamt als katastrophal zu bewerten war, bekam das erste Spiel unter Schulle in der Liga eine besondere Brisanz. Ausgerechnet bei einem allgemein als Aufstiegskandidat gehandeltem Verein antreten zu müssen, war da natürlich keine Erleichterung der Problematik, aber rückblickend betrachtet ist der Auftritt insgesamt als gelungen zu bezeichnen. Dabei sahen wir lange Zeit nicht nach einer Mannschaft aus, die ein Tor schießen geschweige einen Punkt an diesem Tag holen würde – aber am Ende wird abgerechnet und da steht eben für uns der wichtige Auswärtspunkt.
Wie haben sich unsere „Freibeuter der Liga“ denn so geschlagen? Sichtliches Verbesserungspotential der noch nicht wirklich eingespielten weitesgehend neuen Mannschaft auf der einen Seite, Verletzungspech nebst eine noch andauernde Transferperiode mit einem als noch nicht vollkommen fertig bezeichnetem Kader auf der anderen Seite, da war klar, daß dieses Spiel in Bochum noch nicht wirklich etwas darüber aussagen kann, wie die Reise in dieser Spielzeit für uns verlaufen mag. Spannend wird diese Saison aber so oder so, ganz egal, wo in der Tabelle wir uns aufhalten mögen, denn da ist ein neuer FCSP auf dem Rasen zu sehen, größtenteils vom Personal her, aber vor allem auch in Einstellung und Spielweise. Aus einem 2-0 Rückstand am Ende noch ein 2-2 zu machen, und das auswärts, das beweist zumindest eine gewisse Qualität, die mensch in der Vergangenheit doch ein wenig vermißt hat. Wobei sich natürlich noch zeigen wird müssen, ob so etwas gegebenenfalls wiederholt werden kann. Was in jedem Fall aber bleibt, daß ist der Punkt zum Auftakt, und das ist gerade auswärts nicht zu verachten.
In dieser Spielzeit wird uns in jedem Fall noch einiges blühen. Wir können mal unter die Räder kommen oder, um mal in der Bildsprache des vorangestellten Fotos zu sprechen, von einer Sturmflut überrascht werden, aber letztlich müssen und werden wir unseren Weg finden und auch gehen. Was Schulle angeht, so hat der sich jedes Vertrauen schon lange redlich verdient und da werden wir als Fans sicherlich auch mal durch schwierige Zeiten mit ihm und der Mannschaft gehen müssen, vielleicht auch und gerade zu Beginn der Saison. Vielleicht aber auch nicht, das werden wir noch erleben und darauf freue ich mich.
Gerade die ersten Spieltage sind ja alles andere als leicht. Das Auftaktprogramm hat es in sich, den ersten Aufstiegsanwärter mit Bochum auswärts haben wir ja jetzt hinter uns, danach kommt sogleich Heidenheim ans Millerntor, die ganz knapp mit der Auswärtstorregel am Aufstieg gescheitert sind und im ersten Ligaspiel weiterhin überzeugend auftraten, so daß denen wieder eine Platzierung auf den obersten Rängen zuzutrauen ist. Nach Sandhausen sind mit Nürnberg, Darmstadt und der Vorstadt gleich drei Vereine im Spielplan an der Reihe, die ebenfalls bei den Aufstiegskandidaten genannt wurden. Und lediglich zwei Heimspiele bei den ersten sechs Spielen macht das alles nicht einfacher. Jeder Punkt zählt gerade in dieser Anfangsphase daher besonders. Damit wir eben nicht mit einem schweren Paket in die neue Spielzeit starten müssen.
Nun, ganz unabhängig davon, was für Ergebnisse auch folgen werden, eines ist für alle Zeiten klar: Hamburg ist Braun-Weiß! Und so sehr wir den Stadtmeistertitel auch behalten wollen, so wenig geht es aktuell darum, das kommt ja erst am sechsten Spieltag. Also zurück zum ersten gegen Bochum…
Ein wenig überraschend war für mich die Aufstellung im erste Liga-Spiel der neuen Saison, Aremu bekam wohl eine künstlerische Pause nach seinem unglücklichen Auftritt im Pokal, Ziere anfangs ebenso. Auf dem Monitor war es nicht so einfach zu erkennen, aber es war wohl ein 3-4-3 wie folgt:
Himmelmann
Avevor Buballa Ohlson
Wieckhoff Benatelli Knoll Paqarada
Dittgen Zalazar Kyereh
Und da Sky die Tonoption Stadion irgendwie versemmelt hatte, lief lediglich das AFM Radio und nur das Bild auf dem Schirm. Danke übrigens nochmal an alle, die so toll vor Ort das immer machen.
Ohne live vor Ort dabei zu sein ist ja so eine Sache. Auswärts für mich ja fast gewohnt, aber daheim? Okay, an diesem ersten Spieltag ging es auswärts, aber in Corona-Zeiten verschwimmt alles ja ein wenig. Wenigstens waren ja mal wieder Fans vor Ort. Aber lediglich 3500 Bochumer. Und niemand von uns vor Ort. Naja, fast niemand… Danke jedenfalls für die beiden wunderschönen Bilder von vor Ort, die ich hier im Blog verwenden darf!
Das Spiel war schwer für uns. Nicht nur, weil es gegen einen Aufstiegskandidaten ging. Wir hatten ja auch auf unseren Sturm verzichten müssen. Zumindest unsere beiden Mittelstürmer fielen verletzt aus, so daß nur noch Kyereh aus der Abteilung übrig blieb, der jedoch eher aus der zweiten Reihe bzw. von Außen kommend seine Stärken hat. Und so ging es auch los.
20 Minuten waren gespielt. Die Gastgeber traten stärker auf und hatten ihre Chancen, wir hingegen kamen öfter zu spät, was in Fouls mündete – und die Bochumer mit Schwalben bzw. Fallenlassen bei Berührungen darauf reagierten, um unsere Schwäche auszunutzen. Doch zum Glück fiel das Schiedsrichtergespann selten darauf herein, so daß dies nicht lange anhielt. Im Gegensatz zu unseren Fouls, da kam einiges zusammen, gerade weil einer hinlangen mußte, um den Fehler eines anderen auszugleichen.
In der 26. Minute fiel 1-0 für Bochum durch einen direkt verwandelten Freistoß, ungestüm verursacht vom sonst sehr starken Zalazar. Der Ball kam als eine Mischung aus Flanke und Torschuß von der Seite. Da sah Himmelmann naturgemäß nicht gut aus. Verdiente Führung insgesamt zu diesem Zeitpunkt.
Spannend war jetzt, ob wir nun zusammenbrechen, gegenhalten oder gar das Spiel würden drehen können. Nach dem Pokalauftritt, wo kaum etwas zusammenlief und auch den Erfahrungen der letzten Zeit ja durchaus eine berechtigte Frage, wie wir nun reagieren würden.
Die Halbzeit nahte. Die Gastgeber legten sich uns zurecht, ganz gemächlich, dann mit Zug nach vorn. Wenn wir das abfingen, endete der Ball zu schnell bei den Bochumern.
Dann kam auch der Pfiff. 1-0 und wir mußten in der Pause einen Plan entwickeln, wie wir nach vorn mehr machen können, ohne uns hinten noch mehr einzufangen. Bislang waren die Gastgeber näher an weiteren Treffern als wir an einem ersten. Schließlich hatten wir noch nicht einmal eine einzige echte Chance in der ersten Hälfte herausspielen können.
Keine Veränderung zuerst in der 2. Hälfte, personell wie spielerisch. Bochum wartete ab, störte dabei aggressiv unseren Spielaufbau. Aber der ging endlich so langsam nach vorn, wir warteten jedoch immer noch auf eine echte Chance. Die bekamen in der Mehrzahl die Gastgeber.
Das sah bis zum 16er ganz ansehnlich aus, aber spätestens dann war der Ball bei uns weg. Der letzte Pass ging völlig schief, wir liefen ins Toraus oder es lag an irgendetwas anderem. Hoffnung machte das alles nicht, das Ergebnis wirkte für uns schwer verbesserbar, auf den Abpfiff warten war aber auch keine Option, wir lagen schließlich zurück. Zum Glück gibt es noch twitter:
Aber wir spielten uns dann im Laufe der zweiten Hälfte tatsächlich immer besser in die Partie. Der Zug nach vorn wurde besser, das Spiel war nicht mehr einseitig, es wurde immer offener auf dem Feld, nur noch nicht bei den Chancen.
In der 65. Minute kam dann Becker für Knoll, dem leider nicht viel gelang an diesem Tag. Ganz anders der so lange nicht spielfähige Becker, der sein überragendes Können sogleich bewies und tolle Pässe spielte, was unser Spiel nach vorn enorm gefährlicher machte. Und das wirkte sich auf die ganze Mannschaft aus. Die Durststrecke an Chancen war endlich beendet.
Es dauerte letztlich bis 70. Minute, dann hatten wir erste Chance für Kyereh dank toller Vorlage von Becker. Ging aber deutlich vorbei. Trotzdem schön, vor allem nach all dem Vorlauf.
Schrecksekunde dann kurz darauf. Elfmeter für Bochum in der 73. Minute? Nein, Glück gehabt, das Handspiel von Becker wurde als zu zufällig und die Hand als schon zurückgezogen gewertet. Oder wie auch immer.
Und als wir endlich auch ins Spiel gefunden hatten, da kam es wie so oft, die andere Mannschaft trifft. Es lief die 76. Minute, Bochum netzte locker einen Konter ein, Ball in der eigenen Hälfte im Aufbau durch Avevor vertendelt, der sich hinten in einem enorm guten Zweikampf gegen einen der besten Bochumer Stürmer aufgerieben hatte. Da stand es dann 2-0. Aber das wear nicht der Nackenschlag und auch nicht das Ende. Denn wir wollten mehr, das war deutlich zu spüren.
Es folgten ein paar Wechsel, die das Spiel endgültig verändern sollten. Zander und Daschner kamen für den eher wirkungslosen Dittgen und den sehr engagierten, aber nicht ausreichend durchschlagskräftigen Wieckhoff, der für seinen ersten Startelfeinsatz es aber sehr ordentlich gemacht hatte.
Die Gastgeber machten langsam den Eindruck, das Spiel für gewonnen zu halten und verhielten sich wie bei einem Testspiel und begannen schon ein wenig mit dem Auslaufen. Was uns natürlich in die Karten spielte. Zander ging gut durch über außen und legte von dort ab nach hinten, was Wieckhoff zu oft nicht mehr schaffte. Und Daschner zauberte mit Becker zusammen Pässe um Pässe.
Ziereis und Lankford kamen dann für Avevor und Ohlson in der 83. Minute. Definitiv ein wichtiger Doppelwechsel angesichts der schwindenden Kräfte bei den Beiden.
Und dann die 84. Minute. Kyereh knallt den Ball zum 2-1 nach gehaltenem Schuß von Daschner in die Maschen. Ging da noch was?
Aber hallo! 86. Minute, Kyereh spielte eine Vorlage von Daschner zum 2-2 aus. Und erzielte kurz darauf fast noch das 2-3, rutschte aber den Ball von Paqarada nur an den Pfosten. Da hätten wir doch um ein Haar das Spiel gedreht. Haben wir aber in gewisser Hinsicht, denn aus der scheinbar sicheren Niederlage wurde ein Unentschieden. Am Ende hatten beide Chancen auf den Siegtreffer. Egal. Gefühlter Sieg! Auswärtspunkt!
Das erste Spiel vor Fans war ein wenig seltsam. Die Heimfans beschimpften die nicht vorhandenen Gästefans. Oder die andere Mannschaft. Also unsere. Muß mensch nicht verstehen. Und wird bei uns hoffentlich anders aussehen. Wenn wir denn mit Fans spielen können, was gut ausschaut. Heimspiel mit Heimfans? https://www.sportbuzzer.de/artikel/offiziell-hamburg-andert-corona-verordnung-hsv-und-st-pauli-fans-stadion/ Aber ohne Fahnen, Banner, etc. – die lassen wir daheim, bis alle wieder zurück sein können.
Wir alle sind St. Pauli. Und wenn wir uns nicht vor Ort sehen können, dann fehlt das, was zählt. In diesem Sinne: auf ein baldiges Wiedersehen für uns alle. So es Corona irgendwann zuläßt…
Mehr zum Spiel:
https://millernton.de/2020/09/22/bochum-fcsp-und-es-hat-zoom-gemacht/
https://rumpelfussball.wordpress.com/2020/09/22/nachher-ansatze-bochum-st-pauli-spieltag-1-2/