Kann sich der #FCSP eine (interne) Stadionwache leisten?

Es wäre ja auch verrückt anzunehmen, daß man als FCSP-Blogger in der spielfreien Zeit keine Themen hätte. Das derzeit drängende ist eines, welches eigentlich in aller Ruhe anderweitig hätte behandelt werden können, nun aber ausgerechnet in die Sommerpause verfrachtet wurde. Es geht um die Frage, wie mit der Pflicht des Vereins zur Integration einer Polizeiwache im Stadion bzw. in Stadionnähe umzugehen ist. Da sich der Neubau der Gegengeraden untrennbar mit dieser Frage verbindet, ist es nun, quasi in allerletzter Sekunde, zu einem entscheidenden Tauziehen zwischen der eine Wache im Stadion ablehnenden Seite und der diese dort befürwortenden Seite gekommen. Die Sozialromantiker-Initiative hat zu einer erneuten Petition gegen die Stadionwache aufgerufen, siehe http://www.sozialromantiker-stpauli.de/wordpress/?p=210 mit näherer Begründung, Dr. Gernot Stenger hat das Gegenteil auf der offiziellen Vereinsseite verkündet, siehe http://www.fcstpauli.com/magazin/artikel.php?artikel=11692&type=2&menuid=57&topmenu=112. Zeit für mich, meine eigene Stellungnahme zu diesem Thema abzugeben.

Herr Dr. Stenger lehnt für das Präsidium, sinngemäß mit meinen Worten zusammen gefaßt, die Möglichkeit, die alte Domwache saniert weiter durch die Polizei nutzen zu lassen, aus Kostengründen ab. Die Mehrkosten von mindestens EUR 600.000 zuzüglich weiterer jährlicher Mietausfälle werden hierbei angeführt.

Nun ist es natürlich nicht allein eine Frage der Kosten, ob man die Polizei innerhalb des Stadions oder eben außerhalb in unmittelbarer Umgebung haben möchte, doch möchte ich mich mal auf diese Frage einlassen und sie näher betrachten. Es ist ja auch die Frage, ob sich der FCSP eine Stadionwache im Millerntor überhaupt leisten kann.

Die unmittelbare Nähe einer auch noch über die Minimalanforderungen hinausgehenden und semipermanenten Polizeidienststelle zum Fanladen in der neugebauten Gegengeraden birgt Risiken, die sich finanziell zulasten des Vereins in einem noch höheren Maße bemerkbar machen könnten. Je weniger etwaige Problemfans durch den Fanladen aufgrund der Nähe der Polizei erreicht und auf diese im Sinne des Vereins eingewirkt werden kann, umso größer wird die Gefahr, daß durch das Fehlverhalten von Fans der FC St. Pauli mit erheblichen Beträgen belastet werden wird. Die letzten beiden Spielzeiten haben hier bereits gezeigt, was für Kosten dabei entstehen könnten. Eine Schadensminimierung im Vorfeld sollte auch aus dem Gesichtspunkt der Kosten einbezogen werden.

Darüberhinaus bedroht eine derartige Polizeiwache im Millerntor selbst das Alleinstellungsmerkmal des Vereins und seine (das zu schreiben schmerzt bereits, aber wie gesagt, es geht allein um eine finanzielle Betrachtung) wirtschaftliche Verwertbarkeit auch über die Grenzen des Viertels hinaus. Der Anteil der Fanartikel erwerbende Anhänger des FC St.Pauli, welche die Polizei aus was für Gründen auch immer mehr als nur unerheblich ablehnen, dürfte nicht zu unterschätzen sein. Sollte die Polizeiwache in der Gegengeraden in diesem Maße kommen, dann steht zu befürchten, daß sich hieraus auf Dauer auch finanzielle Einbußen auf diesem Geschäftsfeld ergeben, welche ebenfalls in keinem Verhältnis zu den Mehrkosten, die von Vereinsseite angeführt worden, stehen dürften.

Läßt man diese Gesichtspunkte außen vor und stellt allein auf die Finanzierbarkeit der Mehrkosten ab, dann wäre zu bedenken, ob diese nicht durch einen einmaligen Aufschlag auf die Tickets finanziert werden könnten. Würde man die Kosten in einer einzigen Saison auf diese Weise refinanzieren wollen, dann könnte ein Ticketzuschlag von durchschnittlich EUR 1,20 pro Spiel (plus Steuern), möglicherweise gestaffelt nach Steh- oder Sitzplätzen, zu der Aufbringung der nötigen Mittel führen. Auch eine Verteilung auf z.B. drei Jahre würde diesen Betrag in das Einzelticket weniger belastende Weise refinanzierbar machen.

Die etwaigen Mietausfälle, zu denen ich ohne Zahlen im Einzelnen hier keine Stellung beziehen kann, könnten durch eine anderweitige Verwendung womöglich wieder eingeholt werden. Neben den möglichen Einnahmen aus einem FC St. Pauli Museum könnten auch andere Nutzungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, die dem Vereinszweck und dem besonderen Flair des FC St. Pauli und seiner Fanszene nicht zuwiderlaufen und die Mieteinnahmen generieren.

Abschließend möchte ich noch darauf hinweisen, daß bei der gegenwärtigen Situation nicht auszuschließen ist, daß durch eine Mitgliederentscheidung eine womöglich noch weitaus kostenintensivere Lösung beschlossen werden könnte, welche zudem für eine hochgradig intensive Auseinandersetzung im Vorfeld sorgen würde und die durch eine anderweitige Vorgehensweise vermieden werden könnte.

Vor allem aber ist der Schaden, der innerhalb der Fanszene durch eine im Stadion integrierte Polizeiwache entstehen würde, nicht allein finanziell zu beziffern. Doch, wie man aus diesen Gedankengängen ersehen kann, kann man die Zahlen auch anders betrachten und dabei auf eine andere Lösung kommen. Zudem auch auf die Frage, ob der FCSP es sich überhaupt leisten kann, die Polizeiwache im Stadion und nicht in unmittelbarer Nähe zu positionieren.

Für mich bleibt daher nur die Empfehlung, die Peitition der Sozialromantiker mitzuzeichnen, um deutlich zu machen, daß eine Integration der Polizei ins Stadion von Fanseite ein nicht akzeptabler Gedanke ist: http://www.sozialromantiker-stpauli.de/wordpress/?page_id=221.

Außerdem kann es nicht schaden, der Vereinsführung unmittelbar dies mitzuteilen. Dies habe ich getan und warte auf Antwort. Aber je mehr mitmachen, umso größer könnte ein Einwirken auf das Präsidium in dieser für die Fanszene empfindlichen Frage erreicht werden.

P.S.: Lesenswert zum Thema auch http://www.magischerfc.de/wordpress/?p=6414 und http://supra-magazin.net/immer-%C3%A4rger-wegen-der-polizei.

P.P.S.: Inzwischen habe ich auf meine Frage an Dr. Stenger auch eine Antwort erhalten. Dies finde ich an sich positiv, die Antwort als solche allerdings weniger. Für mich unverständlich ist, daß eine Erhöhung der Ticketpreise für die Anschaffung von Klappsitzen als akzeptabel angesehen wird, eine Erhöhung zur Abwendung der Stadionwache allerdings nicht. Hier werden m.E. die Prioritäten falsch gesetzt. Man könnte auch davon sprechen, daß der Wille zur Vermeidung einer internen Stadionwache einfach nicht in dem Maße gegeben ist, als daß eine Umsetzung auch möglich wäre. Daß dieses nicht einfach wäre und auch mit einigen Kosten zu rechnen wäre, das möchte ich gar nicht abstreiten. Aber daß der Fanszene des FCSP die Frage, ob man nun Klappsitze oder feststehende im Stadion hat, wichtiger ist als die Frage der Einbindung einer semipermanenten Polizeiwache direkt in die Gegengerade, das erscheint mir doch höchst fragwürdig. Auf die Problematik der internen Polizeiwache im Hinblick auf die Fanszene wurde leider gar nicht eingegangen.

Auch Jekylla hat Fragen gestellt und diese zusammen mit den Antworten in ihrem Blog gepostet: http://santapauli.wordpress.com/2012/06/28/7-fragen-und-ein-regenschirm-hallo-herr-dr-stenger-diese-polizeiwache-da/ – die Schlußfolgerung, man müsse sich nun mit der Polizei arrangieren, möchte ich so aber nicht unterschreiben.

Spannender finde ich, daß ein offener Brief des Ständigen Fanausschusses und der AG Stadionbau des FC St. Pauli an den Innensenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Michael Neumann, das Problem von einer anderen Warte aus angeht: http://blog.uebersteiger.de/2012/06/28/domwache-offener-brief-an-den-innensenator/ – wenn schon unser Präsidium sich zu einer solchen Ausgliederung der Polizeiwache außerstande sieht, dann kann man sich auch an jemand außerhalb des Vereins wenden. Ich drücke die Daumen, daß dieser Schritt mehr Erfolg hat. Dem Präsidium wird in diesem Punkt offensichtlich nicht mehr der entsprechende Wille zugetraut. Aber vielleicht vermag ja ein solcher Appell Bewegung in dieses Thema hineinzubekommen. Es wäre gut. Für alle Seiten.

P.P.P.S.: Die Antwort von Herrn Neumann ist da – leider in negativer Hinsicht bemerkenswert, spannend aber auch die sich daran anschließende Diskussion: http://www.neumann-hamburg.de/2012/06/29/antwort-auf-offenen-brief/ – all dies zeigt nur umso mehr, warum so großes Mißtrauen gegenüber die Polizei und die sich über sie stets schützend ausbreitende Hand der Stadt in der Fanszene besteht. Äußerst treffend seziert http://metalust.wordpress.com/2012/07/02/deutsche-karrieren-und-die-verstandnisverengung/ die Absurdität dieser Stellungnahme – LESEN! Noch ein Grund mehr, die Petition der Sozialromantiker zu unterzeichnen – mitmachen!