BVB am Millerntor – gute Stimmung trotz Heimniederlage

Tja, das war sie also nun, die 1. Englische Woche in der 1. Fußballbundesliga in der Saison 2010 / 2011. Die Ausbeute beträgt 4 Punkte und ist damit angesichts der Gegner HSV, Borussia Mönchengladbach und Borussia Dortmund bei zwei Heim- und einem Auswärtsspiel nicht als schlecht zu bezeichnen. Im Anbetracht dessen, daß wir als Aufsteiger allein um den Klassenerhalt spielen, kann man doch sehr mit dem Erreichten zufrieden sein. Wären da nicht wieder die liegen gelassenen Punkte durch Unachtsamkeiten und das ausgerechnet daheim. Wenige Momente der Nachlässigkeit entscheiden über die harte Arbeit einer ganzen Woche – es sind ja nicht nur die 90 Minuten auf dem Platz. Bittere Realität der 1. Bundesliga – und zugleich ein Höhepunkt nach dem anderen. Aber bei diesem Programm kann man mit den Erfolgen zufrieden sein.

Wenn man nicht Stani heißt. Dieser war offensichtlich wegen der schwachen Leistung einiger Spieler etwas angefressen – http://www.fcstpauli.com/magazin/artikel.php?artikel=7432&type=2&menuid=57&topmenu=112 – was man aber aus seiner Perspektive gut nachvollziehen kann. Ein Trainer, der zu schnell zufrieden ist, der kann das Team auch nicht wirklich voran und über seine Grenzen hinaus zum optimalen Erfolg verhelfen. Und eben die von Stani angesprochene Leistungsgrenze muß abgerufen werden, wenn wir in dieser Liga bestehen wollen.

Wir Fans wollen natürlich besonders daheim unsere Mannschaft gewinnen, zumindestens aber einen Punkt holen sehen. Nur ein Punkt aus drei Heimspielen ist jetzt nicht gerade viel – doch gegen Hoffenheim, den HSV und eben den BVB in dieser Form etwas zu holen, das ist wahrlich nicht so einfach. Die Fans haben diese Niederlage auch in keiner Weise übel genommen. Vermutlich auch, weil insgeheim allseits mit so einem Ausgang auch gerechnet wurde. Daß die Niederlage so unglücklich nur durch zwei Fehler besiegelt wurde – sofern man Kessler den Appraller ankreiden möchte, in meinen Augen war der Ball nur sehr schwer zu halten und auch die Abwehr darf mal darauf spekulieren, daß ein Torwart nicht jeden Hammer festhält – dies ist natürlich schon ein wenig bitter. Aber eben auch nicht tragisch. Man könnte auch sagen: nur einen Punkt hinter den Bayern und dem HSV zu liegen nach diesem Spieltag – und das direkt dahinter in der Tabelle – sowie noch vor Mannschaften wie Werder Bremen, dem VFL Wolfsburg, Schalke 04 oder dem VfB Stuttgart – wer hätte das vor Beginn dieser Saison nach dem 6. Spieltag gedacht?

Doch nochmal zum Anfang des Samstagspiels zurück. Genauer gesagt, ab zum Eingang. Denn dort hat sich ein wenig getan. Nachdem erst eine provisorische Lösung zur Leitung der Besucherströme am ersten Spieltag gegen Hoffenheim gefunden wurde, war beim Spiel gegen den HSV nichts mehr in dieser Art zu sehen. Das nunmehr aufgebaute Leisystem wird zwar auch nicht dauerhaft bleiben, aber als Provisorium der mittelfristen Art vermutlich nun für eine ganze Weile zu sehen sein. Wobei ich bei diesem Club durchaus auch in Erwägung ziehen möchte, daß es für immer so bleiben wird. Warum denn auch nicht. Man kann klar erkennen, wer wo entlang laufen muß – bzw. in welche Schlange man sich einzureihen hat, um den richtigen Eingang zu finden, von dem aus man dann auch den eigenen Platz finden kann.

Für den einen oder anderen mag dies ja bereits in Klasseneinteilungen erinnern – doch das wäre irgendwie auch nicht der FC St. Pauli, wenn sich hier nicht lustig und bunt die Leute miteinander mischen würden. Dieser freundliche Punker hatte sich vor dem Spiel gegen Borussia Dortmund jedenfalls den Spaß erlaubt, sich zur VIP-Schlange der Business-Seater und Separees-Inhaber zu begeben, um den Bankern in der Reihe die Gelegenheit zu geben, sich mit ihm ablichten zu lassen. Laut nach dieser Möglichkeit rufend stand er mit seinem Schildchen herum und brachte die gute Laune vor dem Spiel schon perfekt auf den Punkt. Das erste Highlight des Tages. Stani hatte ja wieder ein Highlight versprochen. So schnell wurde er von einem Fan also erhört. Sehr geile Aktion. Vor allem auch, weil sie den VIP-Bereich mit dem Rest der Zuschauer in direkten Kontakt brachte. Außer in dieser Schlange hat man zu jenem Bereich ja auch kaum Berührungspunkte dank der internen Trennung der Bereiche.

Die Dortmunder Fans waren deutlich zu erkennen mit ihren gelben Farben. Nicht nur, wie hier zu sehen, im Gästeblock. Auch auf der Haupttribühne waren sehr viele Gästefans. Es blieb wieder einmal friedlich. Allerdings frage ich mich, wie es möglich sein kann, daß in den ausverkauften Blöcken der Haupttribüne H2 und H3, bei denen SÄMTLICHE Plätze an Dauerkarteninhaber und Mitglieder als Saisonpaket vergeben wurden – was ich aus eigenem Anstehen zum Saisonpaketeverkauf weiß – mehr als 100 Plätze an Fans des jeweiligen Gastes gehen können. Ich kann mir gut vorstellen, daß es sich hierbei auch immer um die selben Plätze handelt. Sollte man diese nicht mal besser im Auge behalten und bei wiederholter Abgabe an einen Gästefan den Platzinhaber von Vereinsseite auf den Verstoß gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen aufmerksam machen und die entsprechenden Konsequenzen ziehen? Wer seine Dauerkarte oder sein Saisonpaket dazu nutzt, diese zu überhöhten Preisen an Gästefans zu verkaufen und sich die eigenen Ausgaben nicht nur reinholt, sondern dadurch auch noch kräftige Gewinne erzielt, der sollte seine Anrechte auf diese Plätze verlieren – spätestens ab nächster Saison. Hier muß doch was zu machen sein!

Ein Transparent auf der Gegengerade mit den Worten „CAPITANO KOMM BALD WIEDER“ richtete einen schönen Genesungswunsch an den verletzten Fabio Morena. Als sich die Mannschaften warm machten, herrschte eine friedliche, gespannte Athmosphäre. Der Dortmunder Anhang rechnete sich drei Punkte aus und wir waren alle nur froh, dieses Highlight-Spiel in Liga 1 erleben zu dürfen. Und das mit leckerem Astra. Vollbier, wie es sich gehört. Für ein Sicherheitsspiel gab es ja auch keinen Grund.

Insgesamt hatte man an diesem gestrigen Tage den Eindruck, daß es vor allem um Fahnen zu gehen schien bei der Selbstdarstellung der Fanreihen. Die beiden Herzfahnen auf der Nord waren hier in bester Gesallschaft im ganzen Stadion.

Auch auf der Haupt war die gute Stimmung insbesondere durch die Fahnen kurz vor und beim Einlaufen zu erkennen. Mir scheint, daß es von Spieltag zu Spieltag mehr zu werden scheinen. Die große FCSP-Fahne wurde dabei sogar schon nach weiter oben befördert, so daß sie hier gar nicht mit auf dem Bild ist, Im Stadion war sie aber wieder und wurde auch geschwenkt. Aber eben auf einem anderen Platz.

Auch auf der Gegengeraden waren die großen Fahnen sichtbar. Eine riesige Totenkopfflagge wurde mir mehr oder weniger gegenüber und eine weitere in Höhe des Übergangs zur Südtribüne geschenkt.

Ich will unsere Fans jetzt nicht auf die Fahnen reduzieren, rein optisch war dies aber am gestrigen Tage schon auffällig. Insgesamt war die Stimmung so gut wie eh und je und auch bei der sich abzeichnenden Niederlage wurde die Mannschaft nach vorne gepeitscht und nach dem Abpfiff inbrünstig YNWA gesungen. Es gingen nur einige wenige Einzelne vor oder kurz nach dem Abpfiff. Der Rest des Publikums feierte die Mannschaft, nicht nur für ihren heutigen Einsatz, sondern wohl auch insgesamt für die Leistung in dieser Englischen Woche. So eine Niederlage gegen den BVB ist ja auch kein Beinbruch oder gar eine Blamage. Ein anderes Ergebnis wäre eher schon fast eine Sensation gewesen. Eine Ausgangslage, die in dieser Siason noch des öfteren auf uns zukommen wird.

Friedlich fröhliche Wechselgesänge im ganzen Stadion, dazu auch ein paar vom Derby wohl noch übrig gebliebene Klopapierrollen für das Tor hinter der Südtribüne – und wieder Fahnen, Fahnen, Fahnen. Für das Auge war das wie gesagt weniger bombastisch, dafür aber erneut eine herrliche Stimmung. Millerntor eben. Ein Genuß – auch bei einer Niederlage. Die BVB Fans, mit denen ich sprach, waren von der Athmosphäre und auch von der bedingungs- und nicht ergebnisorientierten Unterstützung begeistert. Die kennen das in Dortmund offensichtlich gar nicht, daß kaum jemand bei einer Niederlage bis zum Schluß und darüber hinaus zum Feiern der Mannschaft im Stadion bleibt.

Allgemein waren das überwiegend angenehme Gäste. Bis auf zwei Dinge, die ich nicht verschweigen will. Zum einen diese unsägliche Pyroaktion zu Beginn des Spiels. Diesmal zog der Rauch zwar glücklicherweise nicht in meine Richtung, aber ich weiß noch gut vom letzten Wochenende, wie unangenehm das Atmen bei diesen Rauchschwaden sein kann. Will am Millerntor niemand sehen. Und auch nicht in den passenden Farben des Gastvereins. Ganz dumme Aktion, mit der sich die Dortmunder wohl am HSV orientieren wollten. Keine gute Idee. Friedlicher Support ist willkommen, Herumzündeln nicht. Da wird unser Verein für diese Dummheit sicherlich auch wieder zur Kasse gebeten werden. Hereingeschmuggelt ist solcher Pyrokram leider nur allzuleicht, wie die Polizei in diversen Artikeln und Interviews schon eingestanden hat – besonders bei der Benutzung von Körperöffnungen ist man als Ordnungsdienst da chancenlos. Und ganz ehrlich – sowas ist doch eklig. Laßt doch den Sch…

Auch die Pfeiffkonzerte gegen unseren Gerald Asamoah hätten die Dortmunder ruhig lassen können. Okay, sie mögen ihn nicht. Schalke 04 und so. Aber jetzt spielt er ja bei uns, und auch sonst lieben wir ihn hier und werden Gästefans, die unsere Spieler auspfeiffen und mit Gegenständen zu bewerfen versuchen – da flog auch ein Bierbecher beim Warmmachen, einer der neuen Pfandbecher, die wohl offensichtlich auch in anderen Bereichen und nicht nur rein auf der neuen Haupttribüne eingesetzt werden, nicht in guter Erinnerung behalten können.

Nach dem Spiel wurde draußen aber mit den BVB-Fans noch das eine oder andere Astra gemütlich getrunken. Bis auf Gespräche über Asamoah konnte man dabei wunderbar und gut gemeinsam ins Gespräch kommen. Beim herausgehen fiel mir übrigens noch jenes Banner des Wirtschafts-Gymnasiums St.Pauli auf, das auf dem Parkplatz, von dem man aus zur neuen Haupttribüne und auch wieder fort von dort gelangt, mittlerweile hängt. Letzte Saison hing das ja noch aus den Fenstern der benachbarten Schule.

Beim Herausgehen hatte ich auch das vielleicht schönste Erlebnis an diesem Spieltag. Eine Mutter hellte ihren kleinen, sichtlich niedergeschlagenen Sohn lachend mit dem Singen eines „Scheißegal, scheißegal, scheiße-ga-al, Scheiß!E!-gal!“-Liedchens auf und zeigte auf liebenswert erzieherische Art und Weise, wie man mit einer Niederlage eben umzugehen hat. Das Leben geht weiter und den Kopf braucht man auch nicht deswegen hängen zu lassen. Die Dortmunder waren eben besser, da kann man eben auch verlieren, ohne daß man darüber traurig sein müßte. Ist halt Fußball – und der FC St. Pauli geht davon nicht unter.

Nach dem Spiel war die Stimmung immer noch ausgezeichnet und bis in den späten Abend hinein wurde, wie beispielsweise hier vor der Domschänke, entspannt getrunken, St. Pauli Wechselgesänge und anderes gemacht. Viele Dortmunder Fans haben sich friedlich unter das braun-weiße Volk gemischt oder hielten sich ebenso bunt gemischt bis in die Puppen auf dem Kiez auf.

Wer weiß, wie gut die Stimmung gewesen wäre, wenn nach dem tollen Tor von Rouwen Hennings das Spiel nicht noch zu unseren Gunsten ausgegangen wäre? Um ein Haar hätte uns ja Fin Bartels noch 2:1 in Front geschossen. Sollte aber nicht sein. Dafür haben wir die Saisonpremiere von Ralph Gunesch erlebt, der seine Sache gut machte. Den entscheidenen Fehler beging vor dem 1:2 nicht er, sondern Florian Bruns, der für den formschwachen Bastian Oczipka sogar in die Verteidigung rücken mußte, als dieser ausgewechselt wurde. Ebbers hing das ganze Spiel über wieder in der Luft – wenn sich hier nicht mal eine Besserung für ihn ergibt, dann wird das eine bittere Saison für unseren hervorragenden Stürmer, der ohne Zuspiel eben keine Tore machen kann. Aber auch das wird noch werden.

Im späteren Verlauf des Abends ging es dann auf die Reeperbahn, da hier gerade das Reeperbahnfestival in sein 5. Jahr ging. Auf dem Spielbudenplatz konnte man auch ohne zu bezahlen, nur von ein klein wenig weiter weg, einigen Bands zuhören und sich mit FCSP und BVB Fans über das Spiel unterhalten und auch sonst freundliche Kontakte pflegen. Ein schöner Abend ging so zu Ende – und das Ergebnis ist dabei eher nebensächlich. 1:3 gewonnen, könnte man meinen.

Scheißegal! ^^