Drei Tore, drei Punkte – mit Sternchen. Mit reichlich Verbesserungspotential. #FCSP siegt daheim gegen Magdeburg.

Eigentlich war das ein wunderschöner Tag. Eigentlich. 3:0 am Millerntor gegen Magdeburg gewonnen, dazu mit wunderbaren Menschen Zeit verbracht. Der Verein hat sich deutlich positioniert in Sachen inklusiver Sprache und ein Sondertrikot dazu herausgebracht. Es hätte ein perfekter Tag sein können. Aber es gab doch vieles, was einfach nicht geht. Das fing schon vor dem Stadiongang an, ins Forum geguckt und so manchen Kommentar gelesen, der sich sowas von im Ton vergriffen hat, daß die Vorfreude erstmal weit runter ging. Leute, gendern ist kein neuzeitliches Unding und woke kein Schimpfwort. Alte, weiße, heterosexuelle Männer, die nicht akzeptieren wollen, daß Sprache den Raum definiert, in dem Menschen sich sicher bewegen können – gerade am Millerntor muß der Anspruch ein anderer sein. Nicht, daß es nicht auch anders geht, was ebenfalls am heutigen Tag unter Beweis gestellt wurde. Aber wir haben auch bei uns noch einen weiten Weg vor uns.

Tore schießen fürs Braun-Weiße Herz war natürlich unabhängig vom Politischen angesagt. Nun mag darüber gestritten werden, ob der Dom zu einem Heimspiel dazugehören sollte. Rein faktisch tut er es halt, immer mal wieder im Jahr. So auch an diesem Spieltag.

Aber wer sich darüber aufregt, daß es „zu politisch“ am Millerntor geworden sei, bei welchem Anlaß auch immer, sollte in Frage stellen, ob es nicht auch ein anderes Stadion auf der Welt gibt, was besucht werden könnte. Politik gehört ins Stadion. Gerade auch dann, wenn diese nicht „die Mehrheit“ repräsentiert, nicht „die Mächtigen“. Solidarität ist keine leere Floskel. Und Rücksichtnahme gerade auf jene, die von der Gesellschaft ohne eigenes Fehlverhalten gerne „vergessen“ werden oder gar deren Existenzrecht in Frage gestellt wird, das ist niemals „zu viel“ Politik bei uns. Oder sonstwo.

St. Pauli ist nicht einfach eine seelenlose Partyhochburg, nicht irgendein Vergnügungsviertel für jene, die Geld und Macht haben und sich dort benehmen können, wie sie wollen. Das mögen manche Gästefans so fehl interpretieren – aber auf die können wir ebenso gut verzichten wie auf jene, die bei uns so denken. Umdenken ist natürlich immer willkommen. Aber wer sich dem einfach verweigert und glaubt, damit bei uns durchkommen zu können, hat St. Pauli nicht verstanden. Nicht so, wie wir anderen es verstehen.

Sprache definiert. Räume. Lebensräume. Leben. Mitgemeint ist nicht ausreichend. War es auch nicht, wie das Beispiel aus der Schweiz zeigt, siehe https://frauensicht.ch/kultur-kirche/sprache/schweizer-frauen-waren-nicht-mitgemeint/. Sprache kann Menschen einladen – und sie kann Menschen ausschließen. Und Sprache ist auf vielen Ebenen sehr mächtig. Das zeigt sich nicht nur bei der Formulierung von rechtlichen Normen, seien es nun Verfassungen oder Gesetze und dergleichen – Gerichte, die das auslegen, können ihre Ansichten ändern, wie es am Beispiel der USA gerade besonders deutlich wird. Es ist auch die öffentliche Wahrnehmung, die bestimmt, wer welche Räume einnimmt oder eben nicht. Nicht ohne Grund sind Stellenanzeigen so zu formulieren, daß nicht allein das männliche Geschlecht angesprochen wird, sondern eben alle. Und damit sind nicht nur auch Frauen gemeint – aber eben auch jene.

Es gibt viele Gründe für eine inklusive Sprache – siehe https://www.uni-konstanz.de/gleichstellungsreferat/gleichstellung-in-wissenschaft-und-studium/standards/gendergerechte-und-inklusive-sprache/: „eine inklusive Sprache schließt alle Menschen ein, unabhängig von Geschlecht, Herkunft, Religion, Alter, Befähigung oder sexueller Identität.“ Und dies schafft beispielsweise das „Gendersternchen“, welches an diesem Spieltag das Sondertrikot zierte: https://www.fcstpauli.com/news/das-sternchen-des-nordens-strahlt-am-millerntor/. Sicher kann mensch kritisieren, daß die Umsetzung nicht ideal ausgefallen ist oder aber allgemein mehr darüber kommuniziert werden sollte, warum das Thema eines ist und wie wichtig dies ist. Aber die Reaktionen zeigen, daß damit ein Nerv getroffen wurde. Und gerade auch in dieser aktuellen Zeit, in welcher Rechte in den USA oder anderswo versuchen, Menschen explizit auszuschließen und eine gendergerechte Sprache angreifen. Nebenbei gendern diese Menschen besonders gerne, nur eben auf eine starre Art und Weise, um ihre Vorstellungen für Rollenklischees und Geschlechterspielräumen zu verankern. Das gilt es anzugreifen und nicht den Versuch, alle Menschen mitzunehmen.

Sicher kann es bei dem Thema Vielfalt viele Ebenen geben. Das hat Vielfalt so an sich. Es betrifft eben auch die Sichtbarkeit der Menschen, die nicht der Norm entsprechen. Der Verein hat nochmal Flagge gezeigt, auf der CSD-Paradendemo und auf der Süd mit der Progress-Pride-Flag. Leider wieder nicht deutlich mit dem Trikot, da waren wir schon weiter. Aber Verbesserungspotential ist ja etwas wichtiges im Leben. Dieses steht schließlich niemals still, alles ist ein Progress und wir müssen immerwährend daran arbeiten, daß wir in einer besseren Welt leben – damit wir nicht in einer schlechteren aufwachen. Der Blick in die USA ist nur eines der aktuellen Beispiele, auch in der Ukraine wird deutlich, was damit gemeint sein kann. Oder aber in all den anderen Ländern, in welchen die Rechte von LGBTQ+ in Frage gestellt werden. Oder die von Frauen, wie in Afghanistan. Es ist wichtig, niemals wegzugucken, sondern stets für alle zu kämpfen. Also als Gesellschaft, Einzelne müssen nicht fortwährend die Last der Welt auf ihren Schultern tragen.

Es gibt viele Ebenen, wie eben auch die der Ernährung. Wie sehr vegane Ernährung in Zeiten der Klimakatastrophe eine Entscheidung für die ganze Welt sein kann, sollte hoffentlich allen mittlerweile klar sein. Und lecker wie bei Bäristo in der GG ist sie außerdem.

Erneut mußten wir beim Genießen des veganen Döners neugierige Fragen beantworten, wo es das zu kaufen gibt – eigentlich ganz einfach, in der Mitte der Gegengeraden, Steh-Ebene, am Rand zum Heiligengeistfeld. Sollte vielleicht auch besser ausgewiesen werden, wenn wir darauf angesprochen werden, wenn wir das Teil daneben stehend verspeisen… Aber wie schon geschrieben, Verbesserungspotential gibt es immer.

Geteilter Meinung kann mensch sicherlich bei der Frage sein, ob Alkoholausschank am Millerntor zu den Punkten gehört, die durch völliges Streichen eine Verbesserung darstellt. Ja, selbst bei dem aktuellen Anbieter alkoholischer Getränke mag es unterschiedliche Auffassungen geben. Aber das soll heute und hier nicht Thema sein. Wohl aber, daß, wenn schon das Stadion alkoholfrei bleiben muß aufgrund polizeilischer Anordnung, zumindest außerhalb der Business-Bereiche (noch ein Punkt, der diskutiert werden kann), warum wird dann ausgerechnet an diesem Tag der explizit stets alkoholfreie Stand vom Verein geschlossen? Okay, hier soll vielleicht der Gewinn anderswo gemacht werden. Trotzdem kein Argument, vor allem bei den extremen Schlangen, die es an diesem Spieltag bei der Hitze vor den Getränkeständen gab. Auch das können wir besser.

Drinnen war es dann, zumindest aus meiner persönlichen Sicht, dann einfach richtig gut. Laute Tribünen, zumindest der Teil der Gegengeraden um mich herum, und sicher wirkt es immer lauter, wenn mensch sich bei jeder Gelegenheit die Seele aus den Leib supportet, aber letztlich kann ich ja immer nur meine eigene Stadionsicht berichten. Die Ansage vor dem Spiel war zum Beispiel richtig gut – worum es ging? Siehe https://awareness-stpauli.de/.

Draußen war hingegen schon so eine Sache. Wir kamen nur über Umwegen ans Ziel, denn Team Sicherheit sperrte die U3 ab, nach etlichen Minuten des Wartens wählten wir dann die Anreise über die Messe. Ob es nun an den Gästefans lag, der Vorstadt, überhaupt Fußballfans oder nur daran, daß die Polizei in Hamburg gerade wieder einfach nur am Freidrehen ist – die Präsenz an diesem Tag war weit über dem, was gut für alle ist. Freiheit stirbt mit Sicherheit. Siehe auch https://www.braunweissehilfe.de/news/2022/wir-machen-hier-die-regeln-oder-das-wunderliche-verhalten-der-hamburger-polizei/.

Sehr passend die Bandenwerbung an diesem Tag, gerade in Kombination mit den Gästefans, von denen viele oberkörperfrei sich darboten. Gendersternchen vs. toxische Männlichkeit? Was auch immer. Aber immer für mehr Inklusion! Und nackte Oberkörper exkludieren halt. Manche können ja in dieser Gesellschaft nicht blank ziehen, also nicht ohne Konsequenzen, im Gegensatz zu anderen – egal, wie heiß es ist.

Heiß her ging es schon im Vorfeld bei der Diskussion um den Platz im Tor. Neuzugang Sascha Burchert, herzlich willkommen, war zwar mit dabei, aber nur auf der Bank. Schulle schenkte Smarsch erneut sein Vertrauen und erstmals hielt dieser nicht nur den Kasten rein, er sorgte einmal auch mit einer großartigen Parade, wo er gerade so eben noch die Fingerspitzen an den Ball bekam, daß dieser nicht ins Tor, sondern nur an den Pfosten flog. Viel mehr bekam er nicht die Gelegenheit sich auszuzeichnen an diesem Tag, was diverse Gründe hatte, aber nicht ihm anzulasten oder sein Verdienst gewesen wäre. Gute Bälle an den eigenen Mann kamen noch dazu, so daß dies mit Sicherheit ein Spiel war, mit dem Smarsch punkten konnte. Und das hatte er nach den Spielen davor auch nötig. Er hat es aber getan. Und wir haben das auch nötig gehabt. Alles soweit gut. Aber, ja, da ist es wieder, mit Verbesserungspotential.

Die ersten Minuten des Spiels waren einfach von uns dicht davor, perfekt zu sein. Eggestein machte nach großartigen Vorlagen von Paqarada bzw. Saliakas zwei schnelle Tore und wir konnten unser Glück kaum fassen. Aber sowas liegt eben auch immer am Gegner, die Magdeburger bekamen die Unsrigen nie richtig zu fassen in diesen ersten Minuten.

Ganz viel Jubel natürlich. Und laute Tribünen. Aber auch aus dem Gästeblock kam es lautstark. Von der puren Anzahl her war deren Geräuschkulissenertrag mit Sicherheit richtig gut. Aber dafür gab es eben auch anderes von dort.

Und sowas wie ein „Gott will es“ Banner ist angesichts dessen, was das radikale Christentum in der Vergangenheit oder Gegenwart (wieder der Blick in die USA) alles so zu verantworten hat, einfach nichts, was bei mir auch nur den Hauch von etwas anderem als Abneigung auslösen kann. Nicht, daß es die dort stören würde. Aber ich schreibe halt hier in meinem Blog.

Die frühe Führung tat unserem Spiel natürlich gut. Aber allgemein lief in der ersten Halbzeit einfach fast alles für uns. Von der Verwertung der Torchancen einmal angesehen. Schon vor dem 1-0 hätten wir eines erzielen können. Aber allgemein hat Eggestein bewiesen, daß wir mit ihm einen starken Stürmer verpflichtet haben. Und es stellt sich die Frage, wie dringend ein weiterer Zugang dort vorn ist.

Andererseits ist er auch nicht der Brecher, der sich so durchsetzt wie beispielsweise der abgegangene Burgstaller. Einen guten Sturmpartner zu verpflichten wäre mit Sicherheit nochmal ein weiterer Schritt nach vorn. Geliefert hat Eggestein an diesem Tag aber deutlich. Was aber auch an dem Spiel der ganzen Mannschaft lag, die ihm das ermöglichte – und eben auch den Gästen, die dies zuließen.

Kurz nach dem 2:0 war es dann hinten wieder vogelwild, Irvine konnte in letzter Sekunde den Anschlußtreffer durch ein großartiges Einschreiten verhindern. Danach kam aber kaum noch was von den Gästen in der ersten Hälfte. Wir hingegen sammelten fleißig Karten – weil der schwache Schiedsrichter vergleichbare Aktionen bei uns mit einer Gelben bestrafte, die er bei den Gästen weiterlaufen ließ oder maximal auf Freistoß entschied und nicht einmal eine Ansage machte – sogar dem kicker fiel dies in dessen Leistungsbewertung negativ auf. Nun, es sollte nicht spielentscheidend sein.

Klare Ansagen politischer Art in der Halbzeitpause – es gab leider auch wieder diverse aktuelle Anlässe dafür. Oben hatte ich schon unsere Fanhilfe verlinkt. Im Norden gibt es da ja auch anderswo Probleme: https://www.ndr.de/sport/fussball/Pistorius-raeumt-Fehler-bei-Polizei-Vorgehen-gegen-Bremer-Fans-ein,werder14362.html

Und im ganzen Land auch. Siehe dazu nur den twitter thread https://twitter.com/stephanpalagan/status/1559205767714115586. Ja, wir haben ein Polizeiproblem in Deutschland. Und nicht die Kontrolle, die ein demokratischer Rechtsstaat diesbezüglich haben sollte. Wichtig daher all jene, die das nicht einfach hinnehmen, wie beispielsweise https://amnesty-polizei.de/.

Wichtig war auch das 3:0 in diesem Spiel für uns, denn die Gäste hatten gerade kurz nach dem Wechsel viel Druck aufbauen können und da rettete uns zweimal das Gebälk – sowie öfters deren eigene Abschlußschwäche. Wir kamen da hinten ein ums andere mal nicht richtig dagegen an. Dabei hatten wir mit Nemeth erstmals einen richtig guten Neuzugang bei uns in der Verteidigung dabei, der neben Medic eine sehenswerte Rolle spielte. Daraus könnte was werden – sollten die beiden nicht auseinandergerissen werden. Von Paqarada ganz zu schweigen. Die Transferperiode läuft halt noch… Aber das Spiel war mit diesem dritten Treffer vorbei, der wieder mit einem tollen Paß vorbereitet wurde, diesmal vom ebenfalls starken Daschner. Daß wir noch mehr Gelegenheiten zu einem Treffer hatten? Geschenkt. Es war am Ende ein hochverdienter Heimsieg.

Und nach drei Auswärtsspielen in Folge – Liga, Pokal und wieder Liga – war so ein Heimspiel einfach enorm wichtig, um wieder in die Spur zu finden. Daheim ist es halt immer nochmal ein anderes Spiel. Daß es nun wieder auswärts geht gehört dazu. Daß wir nach Rostock fahren – nun, das gibt definitiv nochmal eine besondere Würze dazu. Mögen wir Punkte bei diesem Auswärtstrip mitnehmen – und möglichst alle ohne Probleme heil nach Hause kommen, Spieler wie Fans!

Danach gab es einfach nur die richtigen Menschen, gute Gespräche und schönes Bier.

Und anderes. Einfach nur den Moment genießen. Auf St. Pauli!

Mehr zum Spiel in meinem Twitter-Live-Ticker zum Nachlesen https://threadreaderapp.com/thread/1558747957725478913.html sowie
https://www.magischerfc.de/2022/08/keine-t-shirts-keine-tore-fcm-1-fc-nackteburg/
https://www.stefangroenveld.de/2022/zwei-treffer-nach-egge/
https://millernton.de/2022/08/14/kurzbericht-fc-st-pauli-1-fc-magdeburg/
http://beebleblox.blogspot.com/2022/08/mit-herz-mit-einsatz-und-manchmal-mit.html
https://fcspsouthendscum.wordpress.com/2022/08/15/matchday-04-fc-sankt-pauli-vs-1-fc-magdeburg-3-0/